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Strafverfahren – Ablauf

Um bei einem Gerichtsbesuch oder Praktikum einer ➞ Hauptverhandlung erfolgreich folgen zu können, sollte man den Ablauf eines Strafverfahren kennen.

Das StGB verwirklicht sich nicht aus sich selbst heraus, sondern findet sein Gepräge immer aus einem Rechtsfindungsprozess in einem Strafverfahren. Dem materiellen ➞ Strafrecht kann nur mit Hilfe des in der  Strafprozessordnung niedergelegten formellen Strafverfahrensrechts zur Geltung verholfen werden. Ein StGB ohne StPO ist wie ein Schaft ohne Schneide! (➞ Strafprozessrecht)

Ausgangsfall: Der wegen Diebstahls erheblich vorbestrafte Jupp Schmitz riss am 08.01.20.. gegen 6.15 Uhr den Blendladen des Hoffensters am Anwesen Obere-Brüder-Straße 97 in Oberhausen des Eigentümers Helmut Schneider aus der Verankerung, zertrümmerte die dahinter befindliche Fensterscheibe, griff durch die so entstandene Öffnung und schaltete das Licht an. Er hatte die Absicht, in den Raum einzusteigen und zu stehlen, flüchtete aber, als er jemanden – den durch die Geräusche geweckten Wohnungsinhaber – die Treppe herabkommen hörte.

 

Die Frage, ob und wie Jupp sich strafbar gemacht hat und welche Folgen seine Tat für ihn haben kann, beantwortet das materielle Strafrecht. Es ist im Wesentlichen im StGB geregelt. Hier kommen die §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht, ein Rücktritt scheidet mangels „Freiwilligkeit“ aus. (➞ Versuchslehre)

Die Frage, durch wen und auf welchem Wege

die Strafbarkeit des Jupp festgestellt und eine Strafe verhängt und eine verhängte Strafe vollstreckt wird, beantwortet das formelle Strafrecht (Strafverfahrensrecht). Das Strafverfahrensrecht ist die Summe der Normen zur Feststellung strafbaren Verhaltens, dessen Rechtsfolgen und zur Durchsetzung der Rechtsfolgen. (➞ Strafverfahren – Grundsätze)

Die gesetzlichen Grundlagen des Strafverfahrensrechts sind folgende:

  • Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), in welchem der Aufbau und die Zusammensetzung sowie die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der einzelnen Gerichte geregelt ist
  • Die Strafprozessordnung (StPO), in der das Verfahrensrecht geregelt ist, also die rechtlichen Normen, welche den konkreten Ablauf des Strafverfahrens vor dem zuständigen Gericht betreffen
  • Das Jugendgerichtsgesetz (JGG), welches die Besonderheiten im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende regelt
  • Das ➞ Grundgesetz (GG), wonach insbesondere die ➞ Justizgrundrechte zu beachten sind:

– Art. 101 GG: Verbot von Ausnahmegerichten und Anspruch auf den gesetzlichen Richter

– Art. 103 Abs. 1 GG: Anspruch auf rechtliches Gehör;

– Art. 103 Abs. 2 GG: „nullum crimen sine lege“ kein Verbrechen ohne Gesetz,

– Art. 103 Abs. 3 GG: „ne bis in idem“, keine erneute Bestrafung für die gleiche Straftat

  • Das Strafgesetzbuch (StGB) bzgl. Verfolgungsvoraussetzungen und Verfolgungshindernissen, namentlich Strafantrag, §§ 77 bis 77 d StGB und Verfolgungsverjährung, §§ 78 ff StGB
  • Die Zivilprozessordung (ZPO) hinsichtlich der Zustellungsvorschriften. Denn über § 37 Abs. 1 StPO gelten für die Zustellung auch im Strafverfahren die Vorschriften der ZPO, also insbesondere die §§ 166 ff ZPO
  • Die Menschenrechtskonvention (MRK), in der neben der sog. Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) strafprozessuale Garantien festgeschrieben sind, vgl. Art. 6 Abs. 1 und 3 MRK (u.a. Grundsatz des fairen Verfahrens, Recht auf Verteidigung);

Das Strafverfahren selbst, dem sich Jupp Schmitz ausgesetzt sieht, gliedert sich in zwei Hauptabschnitte:

  1. das Erkenntnisverfahren und
  2. das Vollstreckungsverfahren.

Den Einschnitt zwischen beiden bildet die Rechtskraft des Urteils (§ 449 StPO).

 

Zu 1.: Das Erkenntnisverfahren ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt:

  • Der erste Abschnitt, das ➞ Ermittlungsverfahren, dient der umfassenden Aufklärung der Straftat und der Person des Täters durch Polizei und Staatsanwaltschaft und schließt mit der Einreichung der Anklageschrift bei Gericht ab.
  • Mit der Anklageerhebung beginnt der zweite Abschnitt, das ➞ Zwischenverfahren, in dem das Gericht dem Angeschuldigten die Anklage zustellt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Anbringung von Beweisanträgen gibt. Es schließt mit der Entscheidung des Gerichtes über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens, dem Eröffnungsbeschluss.
  • Dieser leitet über in den dritten Abschnitt, die ➞ Hauptverhandlung in Strafsachen. Das Hauptverfahren setzt sich zusammen aus der Vorbereitung der Hauptverhandlung durch das Gericht (Terminsbestimmung, Ladung der Beteiligten usw.) und der eigentlichen Hauptverhandlung, dem Kernstück des Strafverfahrens. In ihr wird aufgrund mündlicher Verhandlung und Beweiserhebung über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten durch Urteil entschieden.

 

Zu 2.: Innerhalb des Vollstreckungsverfahrens ist zu unterscheiden zwischen:

  • Strafvollstreckung: Das ist die Einleitung und allgemeine Überwachung der Ausführung des Urteils sowie die genaue Strafzeitberechnung und die Geldstrafenvollstreckung. Sie liegt in den Händen der Staatsanwaltschaft (§ 451 Abs. 1 StPO) und ist gem. § 31 Abs. 2 RPflG im Wesentlichen dem ➞ Rechtspfleger übertragen.
  • Strafvollzug: Das ist die Durchführung der freiheitsbeschränkenden Strafmaßnahme selbst und die Regelung der damit zusammenhängenden Einzelfragen. Der Strafvollzug liegt im Wesentlichen in den Händen der Justizvollzugsanstalten der Länder.

 

Der Ablauf des Strafverfahrens im groben Überblick:

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