Schemata zur BGB-Klausur

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Wegen der häufig komplexen Prüfungen der Anspruchsgrundlagen ist eine „Dreischrittprüfung“ bei jeder Anspruchsgrundlage sinnvoll! Das BGB lässt sich nämlich als ein System von anspruchsbegründenden, anspruchshindernden, anspruchsvernichtenden und anspruchshemmenden Normen begreifen.

Abstrakte Anspruchsprüfung im BGB

Schritt 1: Ist der Anspruch entstanden?

a. Suche nach anspruchsbegründenden Tatsachen/Normen z.B. § 433 Abs. 2 BGB, § 985 BGB. Das sind Tatsachen/Normen, die die Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlage nachweisen. Im Bild: Eine Rakete wird gebaut.

b. Suche nach anspruchshindernden Tatsachen/Normen z.B. § 104 BGB, § 125 BGB, § 138 BGB, § 134 BGB. Das sind Tatsa- chen/Normen, die den Anspruch von Anfang an im Keim ersticken. Im Bild: Die Rakete kommt gar nicht zum Start.

Wenn nun a. nicht vorliegt oder wenn a. vorliegt und b. auch vorliegt, dann ist der Anspruch nicht entstanden; Ihre Prüfung ist beendet. Ergebnis: Kein Anspruch! Wenn a. vorliegt und b. nicht, ist der Anspruch entstanden. Dann können Sie fortfahren mit dem 2. Schritt.

Schritt 2: Ist der entstandene Anspruch möglicherweise untergegangen?

Es beginnt die Suche nach den anspruchsvernichtenden Tatsachen/Normen, z.B. § 142 BGB, § 346 BGB, § 362 BGB, § 389 BGB. Das sind Tatsachen/Normen, die den entstandenen Anspruch im Nachhinein untergehen lassen. Im Bild: Die gestartete Rakete wird abgeschossen. Wenn solche Tatsachen/ Normen vorliegen, ist die Prüfung beendet. Ergebnis: Kein Anspruch! Wenn keine anspruchsvernichtenden Tatsachen/Normen vorliegen, besteht der Anspruch. Dann können Sie fortfahren mit dem 3. Schritt.

Schritt 3: Ist der entstandene Anspruch auch durchsetzbar?

Es folgt die Suche nach den anspruchshemmenden Tatsachen/Normen (dauernde oder aufschiebende Einreden), z.B. § 214 BGB, § 273 BGB, §§ 320, 321, 271 Abs. 2 BGB. Das sind Tatsachen/Normen, die den entstandenen und noch bestehenden Anspruch nicht oder noch nicht durchsetzbar sein lassen. Im Bild: Die Rakete fliegt noch, darf aber (noch) nicht ins Ziel.

Wenn solche Tatsachen/Normen vorliegen, ist die Prüfung beendet. Ergebnis: Anspruch nicht durchsetzbar!

Liegen keine anspruchshemmenden Tatsachen/Normen vor, dann ist der bestehende Anspruch durchsetzbar. Die Anspruchsprüfung ist endgültig beendet. Der entstandene, bestehende und durchsetzbare Anspruch ist schlüssig.

1. Anspruchsprüfung gem. § 433 Abs. 2 BGB


2. Schritt: Damit der Anspruch aber nun nicht nur irgendwann einmal entstanden ist, sondern im Zeitpunkt der Geltendmachung auch noch besteht, dürfen keine anspruchsvernichtenden Gegennormen vorliegen. Das sind Normen, die einen entstandenen Anspruch wieder vernichten.


Allgemeines Schema jeder BGB-Falllösung (§§ entstammen dem BGB)

Katalog der Anspruchsgrundlagen (nicht gekennzeichnete Paragraphen entstammen dem BGB)

1. Vertragliche Ansprüche

1.1 Primäre Vertragsansprüche Das sind Ansprüche, die auf die mit dem Vertragsabschluss primär bezweckte Leistungspflicht des Schuldners abzielen (§§ 433 Abs. 1, 433 Abs. 2, 611, 631, 535, 488, 607 etc.). Voraussetzungen: Anspruchsbegründende Tatsachen: - Der Individualvertrag, der persönlich durch Angebot und Annahme gem. § 145 ff. abgeschlossen wird Der Individualvertrag, der durch Einschaltung von Vertretern abgeschlossen wird gem. §§ 145 ff., 164 ff. Der Individualvertrag unter Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 305 ff. Komplikationen bei atypischen, gemischten oder verbindenden Verträgen

Keine anspruchshindernden Tatsachen §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 1, 2 § 105 Abs. 2 §§ 108 Abs. 1, 107, 182, 184 § 125 § 134 § 138 Abs. 1, 2 § 116 Satz 2 §§ 117 Abs. 1, 118


Zwischenergebnis: Der Anspruch ist entstanden

Keine anspruchsvernichtenden Tatsachen (Einwendungen) Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 Rücktritt (Rückgewährschuldverhältnis) Kündigung (Mietvertrag; Arbeitsvertrag) Vertragliche Aufhebung gem. §§ 311, 241 Auflösende Bedingung gem. § 158 Abs. 2 Widerruf gem. §§ 312, 355 Erlöschen durch Erfüllung gem. § 362 Erlöschen durch Leistung an Erfüllungs Statt gem. § 364 Abs. 1 Erlöschen durch Aufrechnung gem. § 389 Erlöschen durch Erlass gem. § 397 Erlöschen durch Hinterlegung gem. § 372 ff.

Zwischenergebnis: Der Anspruch besteht

Keine anspruchshemmenden Tatsachen (Einreden) Verjährung gem. § 214 (mit Unterbrechung und Hemmung) Stundung gem. §§ 311, 241 Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. §§ 320-322

Zwischenergebnis: Der Anspruch ist durchsetzbar

Endergebnis: Der geltend gemachte Anspruch ist entstanden, er besteht noch, und er ist durchsetzbar.

1.2 Sekundäre Vertragsansprüche Das sind die Ansprüche, die wegen Nicht-, Zuspät- oder Schlechterfüllung erhoben werden. Diese Leistungsstörungen bleiben hier noch unerörtert.

2. Vertragsnahe Ansprüche

2.1 Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen des Vertrauens in die Wirksamkeit einer Willenserklärung Gesetzlich geregelte Fälle: § 122: Scherzgeschäft (§ 118), Irrtumsanfechtung (§§ 119, 142 Abs. 1) und § 179 Abs. 2: Der als Vertreter Auftretende kennt den Mangel seiner Vertretungsmacht nicht Ungeregelte Fälle : Dissens und andere Nichtigkeitsgründe

2.2 Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen Schäden, die mit einem späteren Vertragsschluss nichts zu tun haben (c.i.c.) wie etwa Körperverletzung in den Räumen des Verkäufers nach Betreten. Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen

3.1 Ansprüche aus unerlaubter Handlung Haftung aus verschuldetem Unrecht Tatbestände § 823 Abs. 1: Rechtsgutverletzung („kleine Generalklausel“) § 823 Abs. 2: Verstoß gegen ein Schutzgesetz § 826: Sittenwidrige Vermögensschädigung („große Generalklausel“) Rechtswidrigkeit Verschulden: §§ 827, 828 (Deliktsfähigkeit) und Vorsatz oder Fahrlässigkeit (bei §§ 824 Abs. 2, 826 nur Vorsatz) Schaden gem. §§ 249-254; 844-846; 618 Abs. 3; 10, 11 StVG Schmerzensgeld gem. §253 Haftung aus unverschuldetem Unrecht § 829: Haftung ohne Verschuldens-fähigkeit § 1 ProdHaftG: Verursacherprinzip, wenn Produkt fehlerhaft (§ 1 Abs. 1 ProdHaftG) und der Fehler nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik erkennbar war. Haftung für rechtswidriges, aber womöglich unverschuldetes Verhalten (str.) Haftung aus rechtmäßigem, unverschuldetem Vorverhalten bei der Gefährdungshaftung § 833 BGB: Tierhalterhaftung § 7 StVG: Kraftfahrzeughalterhaftung 3.2 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung Leistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. – Sie dient allgemein der Rückholung von Leistungen, die ihren Zweck nicht erreicht haben (ähnelt dem Rücktritt) Zweipersonenverhältnisse Anspruchsgegner hat „etwas“ erlangt Durch die „Leistung“ des Anspruchsstellers „Ohne Rechtsgrund“ Anspruchsinhalt: Herausgabe des erlangten „Etwas“ (evtl. § 818 Abs. 2) Mehrpersonenverhältnisse (Dreiecksverhältnisse) Diese sind hier wegen ihrer Kompliziertheit noch nicht auszubreiten Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. Anspruchsgegner hat „etwas“ erlangt „In sonstiger Weise“, d.h. das Erlangte stammt nicht aus einer Leistung, sondern aus einem „Nehmen“ des bereicherten Anspruchsgegners, z.B. Verbrauch, Veräußerung, Belastung, unerlaubte Handlungen, Gebrauch „Ohne Rechtsgrund“ Anspruchsinhalt richtet sich, da der Eingriffserwerb regelmäßig nicht in Natur herausgegeben werden kann, auf dessen Wert gem. § 818 Abs. 2 Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 1 Verfügung Eines Nichtberechtigten Verfügung ist dem Berechtigten gegenüber wirksam entweder kraft Gesetzes gem. §§ 932, 892 oder die Verfügung ist vom Berechtigten durch Genehmigung gem. § 185 Abs. 2 1. Alt. wirksam gemacht worden Anspruchsinhalt: Herausgabe des durch die Verfügung erlangten Entgeltes und nicht des Gegenstandwertes. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten begründet einen Anspruch direkt gegen den Beschenkten, § 816 Abs. 1 S. 2

3.3 Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Ansprüche aus gerechtfertigter GoA §§ 683 S. 1, 670: Ansprüche des berechtigten Geschäftsführers auf Ersatz seiner Aufwendungen wie ein Beauftragter §§ 681 S. 2, 667: Ansprüche des Geschäftsherrn auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten §§ 681 S. 2, 677, 276 ff.: Ansprüche des Geschäftsherrn auf Schadenersatz bei einer zu vertretenden Verletzung der in § 677 umschriebenen Ausführungspflicht (Haftungsmilderung in §§ 680, 682) 3.4 Ansprüche bei nichtberechtigter GoA § 684 S. 1: Ansprüche des nichtberechtigten Geschäftsführers nach Bereicherungsrecht auf das, was der Geschäftsherr durch die Geschäftsführung erlangt hat § 678: Ansprüche des Geschäftsherrn auf Ersatz des Schadens, der durch die ungewollte Übernahme entstanden ist (Haftungsverschärfung gegenüber § 276 Abs. 1 S. 2, da sich das Verschulden des Geschäftsführers bloß auf die Übernahme des Geschäfts und nicht auf die Ausführung zu beziehen braucht)

4. Ansprüche, die dingliche Rechte oder den Besitz verwirklichen (dingliche Ansprüche)

4.1 Herausgabeanspruch gem. § 985 Anspruchssteller ist Eigentümer Anspruchsgegner ist Besitzer Kein Recht zum Besitz des Besitzers gem.§ 986 (Einwendung) Dingliche Besitzrechte gem. §§ 1204 ff., 647 Obligatorische Besitzrechte aus §§ 433, 535, 581, 598 Keine andere Verteidigung des Besitzers (Einrede) § 1000: Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendung. War Besitzer bei Vornahme unredlich oder verklagt, §§ 994 Abs. 2 mit § 995, oder aber redlich und unverklagt, § 994 Abs. 1, 995, 996. §§ 273, 369 HGB § 242 (dolo-petit-Einrede)

4.2 Abwehranspruch gem. § 1004 Beeinträchtigung des Eigentums oder anderer absoluter Rechte außer durch Besitzentziehung (dann § 985) Anspruchsgegner ist Störer Kein Anspruchsausschluss gem. § 1004 Abs. 2 (Einwendung) aus rechtsgeschäftlicher Duldungspflicht aufgrund vertraglicher Erlaubnis oder aufgrund einer Dienstbarkeit aus gesetzlicher Duldungspflicht gem. §§ 904, 912, 917 aus nachbarrechtlicher Duldungspflicht gem. § 906 aus öffentlich-rechtlicher Duldungspflicht gem. § 14 BImSchG, § 7 AtomG, § 11 LuftVG Anspruchsinhalt Beseitigung gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 Unterlassung gem. § 1004 Abs. 1 S. 2, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind

4.3 Der Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 4.4 Die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO 4.5 Die Ansprüche aus Besitz gem. §§ 861, 862, 1007


Schemata zur StGB-Klausur In keinem Klausurengebiet bedingen sich Aufbau (Struktur einer Straftat) und Lösung einerseits und grundsätzlicher dogmatischer Standort andererseits, so wie im Strafrecht. Der Deliktsaufbau wird nun einmal dadurch bestimmt, ob der kausalen oder finalen Handlungslehre gefolgt wird. Auf die unterschiedlichen Konsequenzen für den Aufbau und auf die Gründe sei hingewiesen. (Handlung)

1. Das vollendete vorsätzliche Begehungs-delikt

1.1 Straftatbestand Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Handlung (ggf. Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen). Menschliches Ver-halten, das vom Willen getragen ist Eintritt des Erfolges bei Erfolgsdelikten Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Kausalität zw. Handlung und Erfolg Die geschriebenen Tatbestandsmerkmale der Vermögensdelikte, Urkundsdelikte, Delikte gegen Leib und Leben etc. – Die Welt des besonderen Teils mit seinen Tatbestandsmerkmalen, Auslegungen, Definitionen und Subsumtionen Ggf.: Besondere Absichten (z.B. Zueignungsabsicht in § 242 StGB; Bereicherungsabsicht in §§ 263, 253 StGB; Täuschungsabsicht in § 267 StGB) Ggf.: Rechtswidrigkeit als Attribut eines einzelnen Tatbestandsmerkmals (z.B. §§ 242, 253, 263 StGB) Ggf.: Tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis) Ggf.: Besondere Merkmale des Täters (z.B. „Amtsträger“ § 331 StGB, § 11 StGB; „Arzt“ in § 203 StGB; „Richter“ in § 339 StGB)

1.2 Rechtswidrigkeit – Unwerturteil über die Tat. Sie entfällt, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Notwehr gem. § 32 Abs. 1, 2 StGB Angriff Gegenwärtig Rechtswidrig Erforderlichkeit der Verteidigung Verteidigungswille Kein Rechtsmissbrauch Notstand gem. § 34 StGB Gefahr Gegenwärtig Für irgendein Rechtsgut Kollisionslage zwischen zwei Interessen: Erhaltungsgut (Rechtsgut) feststellen; Eingriffsgut (Rechtsgut) feststellen; Gesamtabwägung treffen, ob Erhaltungsgut Eingriffsgut wesentlich überwiegt Gefahr nicht anders abwendbar als durch die Notstandshandlung Rettungswille Tat muss nach § 34 S. 2 StGB ein angemessenes Mittel sein Spezialnotstände bei Sachbeschädigungen – Notstand gem. § 228 BGB Drohende Gefahr durch eine Sache (Tier) Einwirkung auf („schuldige“) Sache objektiv erforderlich Güter- und Interessenabwägung Rettungswille – Notstand gem. § 904 BGB Gegenwärtige Gefahr Einwirkung auf („unschuldige“) Sache objektiv erforderlich Güter- und Interessenabwägung Rettungswille Einwilligung gem. § 228 StGB in Körperverletzungen; § 228 StGB analog (oder Gewohnheitsrecht) bei anderen Rechtsgutverletzungen Einwilligung vor der Tat ausdrücklich oder konkludent vom Rechtsgutträger erteilt Einwilligung rechtlich zulässig. Bei Individualrechtsgütern grundsätzlich zulässig; bei Universalrechtsgütern nicht zulässig; auch nicht zulässig bei Individualrechtsgütern: Leben: § 216 StGB, Körper: § 228 StGB Einwilligungsfähigkeit (auch bei Eigentum!) Einwilligung frei von Willensmängeln Handeln in Kenntnis der Einwilligung Festnahmerecht gem. § 127 StPO Betreffen auf frischer Tat (Straftat) Fluchtgefahr oder die Unmöglichkeit der sofortigen Identitätsfeststellung Verhältnismäßigkeit (beachte auch § 127 Abs. 3 StPO) Absicht, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen

1.3 Schuld– Unwerturteil über den Täter Schuldfähigkeit Verantwortlichkeit gem. §§ 19, 20 StGB; §§ 3, 105 JGG Verantwortlichkeit nach Grundsätzen der actio libera in causa (vorsätzlich herbeigeführte Schuldunfähigkeit) Schuldformen – Vorsatz (auf Ebene der Schuld zu erörtern für die Kausalisten) Direkter Vorsatz („dolus directus“) Eventualvorsatz („dolus eventualis“) Entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB (Vorsatzwegfall) bei Nichtwissen oder Verkennen eines Tatbestandsmerkmals (Tatbestandsirrtum) und bei der irrigen Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (§ 16 Abs. 1 StGB analog bei Erlaubnistatbestandsirrtum) – Fahrlässigkeit (§§ 222, 229 StGB) Bewusste Fahrlässigkeit Unbewusste Fahrlässigkeit – Abgrenzung nach der Intensität der Wissens- und Wollenskomponenten, insbesondere zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen – Notwehrexzess gem. § 33 StGB Notwehrüberschreitung bez. des Merk-mals der Erforderlichkeit der Verteidigung Beruhen auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken – Entschuldigender Notstand gem. § 35 StGB Gegenwärtige Gefahr Für Leben, Leib oder Freiheit Gefahr droht Täter selbst, einem Angehörigen gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder einer anderen nahestehenden Person Gefahr nicht anders abwendbar Hinnahme der Gefahr nicht zumutbar (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB) Unrechtsbewusstsein gem. § 17 StGB Wissen des Täters, dass er gegen die Verbote des Strafrechts verstößt (Einsichtsmöglichkeit in das Unrecht) Entfällt gem. § 17 StGB (Wegfall des Unrechtsbewusstseins) bei Fehlvorstellung über das Verbotensein der Tat (Verbotsirrtum)und bei Verkennen der rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes

2. Spezialfall: Täterschaft und Teilnahme gem. §§ 25, 26, 27 StGB

2.1 Täterschaft Alleintäterschaft gem. § 25 Abs. 1, 1. Alt. StGB Mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB

2.2 Teilnahme Anstiftung gem. § 26 StGB – Tatbestand Fremde Haupttat: Tatbestand Rechtswidrigkeit Vorsatz Bestimmen – Rechtswidrigkeit – Schuld: Schuldfähigkeit Doppelter An-stiftervorsatz, gerichtet auf Vollendung der fremden Haupttat und gerichtet auf Bestimmen Beihilfe gem. § 27 StGB

Abgrenzung Täter ist, wer die Tat als eigene will (Animus auctoris) Teilnehmer ist, wer die Tat als fremde will (Animus socii)


3. Spezialfall: Irrtum

3.1 Irrtum über den Tatbestand (Tatbestandsirrtum) (auf der Ebene des Vorsatzes zu erörtern für die Kausalisten) Täter kennt ein Tatbestandsmerkmal überhaupt nicht. Folgen ergeben sich aus § 16 Abs. 1 StGB! Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein deskriptives Tatbestandsmerkmal subsumiert: (z.B. Sache: „Ich wusste nicht, dass ein Tier eine Sache ist“): Sog. Subsumtionsirrtum ist unbeachtlich, da die richtige Subsumtion nicht Aufgabe des Täters ist. Kein Vorsatzausschluss! Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert (z.B. Urkunde: „Ich wusste nicht, dass ein Bierdeckel eine Urkunde ist“). Kein Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bei Kenntnis der Tatsachen, die unter normatives Merkmal subsumiert werden und bei Kenntnis des rechtlichen Gehalts des normativen Merkmals aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre. – Täter irrt über den Kausalverlauf. – Täter irrt gar nicht, sondern verwechselt nur die Personen oder Objekte (Error in persona/objekto). Kein Irrtum!

3.2 Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Verbotsirrtum) (auf Ebene des Unrechtsbewusstseins zu erörtern für Kausalisten wie Finalisten) Direkter Verbotsirrtum, d.h., Täter erkennt überhaupt nicht, dass seine Tat verboten und daher Unrecht ist. Ihm fehlt die Vorstellung, Unrecht zu tun. – Irrtum unvermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt gem. § 17 S. 1 StGB: Bestrafung entfällt – Irrtum vermeidbar: Unrechtsbewusstsein entfällt nicht gem. § 17 S. 2 StGB: Bestrafung erfolgt aus Vorsatzdelikt mit Milderungsmöglichkeit Indirekter Verbotsirrtum, d.h., Täter weiß, dass Tat verboten und daher grundsätzlich Unrecht ist, glaubt aber, im konkreten Fall ausnahmsweise gerechtfertigt zu sein. – Er irrt über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, den es nicht gibt (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB). – Er irrt über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum; Lösung über § 17 StGB). – Er irrt weder über die Existenz eines nicht anerkannten, noch über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes; er nimmt irrig die Existenz eines rechtfertigenden Sachverhalts an, bei dessen Vorliegen ein Rechtfertigungsgrund eingriffe (Erlaubnistatbestandsirrtum; Lösung über § 16 StGB analog).

3.3 Irrtum über die Schuld Irrtum über Schuldfähigkeit (§§ 19, 20 StGB): unbeachtlich Irrtum über Voraussetzungen des entschuldigenden Notstandes: § 35 Abs. 2 StGB regelt die Frage speziell in Anlehnung an § 17 StGB.

4. Spezialfall: Das Fahrlässigkeitsdelikt

4.1 Tatbestand Handlung Erfolgseintritt Kausalität Objektive Sorgfaltspflichtverletzung Objektive Vorhersehbarkeit Zurechnungszusammenhang zwischen Erfolg und Sorgfaltspflichtverletzung Schutzzweck der Norm

4.2 Rechtswidrigkeit 4.3 Schuld Schuldfähigkeit Rest der Fahrlässigkeit – Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung – Subjektive Vorhersehbarkeit Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens Unrechtsbewusstsein

5. Spezialfall: Das versuchte Begehungsdelikt

5.1 Vorüberlegungen zum Versuch Nichtvollendung der Tat Strafbarkeit des Versuchs – § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 StGB bei Verbrechen – § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 StGB i.V.m. Norm des besonderen Teils bei Vergehen

5.2 Tatbestand Tatentschluss, d.h. bzgl. aller TBMe Ggf. Absichten des Tatbestandes Anfang der Ausführungen, d.h. unmittelbares Ansetzen („Jetzt geht’s los!“)

5.3 Rechtswidrigkeit 5.4 Schuld (Restschuld ohne Vorsatz) Schuldfähigkeit Nichtvorliegen von Entschuldigungsgründen Unrechtsbewusstsein

5.5 Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB Kein fehlgeschlagener Versuch Freiwilliger Rücktritt – Unbeendeter Versuch; § 24 Abs. 1 S. 1 1.Alt. StGB. Passives Verhalten reicht aus! Gegenentschluss notwendig! Vollständiges und endgültiges Aufgeben des Tatentschlusses FreiwilligkeitBeendeter Versuch; § 24 Abs. 1 S. 1 2.Alt. StGB. Aktives Verhalten geboten! Gegenaktivität notwendig! Verhinderung des Taterfolges Durch eigenes Zutun des Täters Freiwilligkeit – Nichtvollendung ohne Zutun des Täters; § 24 Abs. 1 S. 2 StGB Nichtvollendung der Tat Ernsthaftes Bemühen um eine Verhinderung der Vollendung Freiwilligkeit – Beim gemeinschaftlichen Versuch; § 24 Abs. 2 StGB Verhinderung der Vollendung Freiwilligkeit bzw. ernsthaftes Bemühen

6. Spezialfall: Das vollendete vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt

6.1 Tatbestand Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges einer Verbotsnorm Nichtvornahme des erforderlichen Tuns (Abgrenzung Tun/Unterlassen) Kausalität (hypothetische Kausalität) Möglichkeit der Erfolgsabwendung Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung Garantenstellung aus: – Gesetz/Rechtsvorschrift – Vertrag/tatsächlicher Gewährsübernahme – vorangegangenem gefährdendem rechtswidrigem Tun – konkreten Lebensbeziehungen (enge Gemeinschaften) Ganz selten: Entsprechungsklausel

6.2 Rechtswidrigkeit Es liegen weder allgemeine Rechtfertigungsgründe noch eine (nur hier geltende) Pflichtenkollision vor

6.3 Schuld Schuldfähigkeit Schuldformen – Vorsatz muss hinsichtlich aller TBMe einschließlich der die Garantenstellung begründenden tatsächlichen Umstände vorliegen – Vorsatz entfällt gem. § 16 Abs. 1 StGB Nichtvorliegen von allgemeinen Entschuldigungsgründen und von der für Unterlassungsdelikte speziellen entschuldigenden Pflichtenkollision Unrechtsbewusstsein – Wissen des Täters, dass er gegen die Gebote des Strafrechts verstößt aufgrund einer rechtlich bestehenden Garantenpflicht – Entfällt gem. § 17 StGB (Gebotsirrtum) u.a. bei Irrtum des Täters über das Bestehen seiner Garantenpflicht