Für Ihre Pinnwand: Diesen Beitrag sollten Sie ganz gewissenhaft ‚studieren‘ – ein echtes Kleinod für Ihre erfolgsgekrönte Klausur

  • Denken Sie an Ihre Wasserflasche und Ihren Lieblingsschokoriegel!
  • Stärken Sie Seele und Körper! Seele und Körper müssen mitgenommen werden in den Klausurensaal. Sie spielen für Ihren Geist eine ihn tragende Rolle. Wenn Seele und Körper am Pult sind, sollte der Geist dann aber auch da sein!
  • Seiten nur hälftig beschreiben!
  • Rückseiten unbeschrieben lassen!
  • Zeilenabstand wahren!
  • Keine Bandwurmsätze! Ein Gedanke – ein Satz!
  • Verständlichkeit ist Trumpf! Schone Deinen Korrektor!
  • Abkürzungen auf die gängigsten reduzieren!
  • Paragraphen sind mit Absatz, Satz und Alternative zu zitieren! Dass man eine Bereicherung, die ohne Rechtsgrund geleistet worden ist, kondizieren kann, sagen nicht Sie, sondern das Gesetz in § 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt BGB. Dass ein Eigentümer vom Besitzer, der kein Recht zum Besitz hat, die Herausgabe verlangen kann, ist nicht Ihre Entdeckung, sondern Aussage der §§ 985, 986 BGB!
  • Gesetze zitieren! § 433 Abs. 1 BGB; § 25 Abs. 3 HGB! Man hilft sich: Den ersten erwähnten Paragraphen „besternt“ man! *: Alle Paragraphen ohne nähere Benennung entstammen dem BGB.
  • Gutachten gliedern, zumindest abgeschlossene Gedanken durch Absätze markieren! Auf diese Weise wird die Architektur Ihrer Klausur plastisch. Und wenn Ihr Korrektor einmal abgelenkt wird, hat auch er die Chance, schnell wieder „hereinzukommen“.
  • Ganze Sätze in leserlicher Handschrift formulieren!
  • Beherrschen Sie die Orthographie! Insbesondere bei juristischen Stereotypen. Lassen Sie Fremdwörter oder lateinische Spezialausdrücke weg, deren Schreibweise Sie nicht sicher sind („lienietierte Assessorietät“, statt limitierte Akzessorietät; die Tatbestandserfüllung „infiziert“, „injiziert“ und „induziert“ die Rechtswidrigkeit nicht, sondern indiziert sie!).
  • Denken Sie daran, den Korrektor dadurch für sich zu gewinnen, dass er die Architektur Ihrer Gedanken erkennt, die Ordnungen, Gliederungen und Einteilungen verfolgen und Sie auf Ihrer Argumentationsfahrt jederzeit begleiten kann. Er muss in jeder Zeile der Klausur wissen, wo Sie und warum Sie gerade hier stehen. Er muss wissen, wo Sie herkommen und wohin Sie gehen – was Sie am allerbesten durch die Beachtung kleiner, konsequenter Schritte erreichen.
  • Suchen Sie detektivisch die Probleme – Alltagsdeutsch: die relevanten Fragen – des Sachverhalts möglichst schnell heraus zu bekommen. Fünf bis sieben müssten es sein. Haben Sie ein Problem entdeckt, dann ist die Lösung, das ist die Antwort auf die relevante Frage, auch begründungsbedürftig.
  • Stellen Sie genügend Wegweiser auf in Form kleinerer ZWischenERGebnisse (Zwerg: „Also hat …“). Nichts akzeptiert Ihr Korrektor mehr als deutliche Orientierungen.
  • Vermeiden Sie widersprüchliche, lückenhafte, unlogische, sprunghafte, nicht folgerichtige Begründungen. „Inkonsistent“ steht dann am Rand.
  • Quälen Sie „Ihren Korrektor“ nicht mit großen Worten wie „eindeutiger Fall“; „ganz klar“; „völlig unstreitig“; „klassischer Fall von …“. Die Gefahr ist groß, mit solchen Übertreibungen die Subsumtion ersparen zu wollen. Außerdem weiß man nie so genau, was eigentlich der klassische Fall ist. Wer schreibt: „Zweifellos ist das Umdressieren eines Kanarienvogels eine Sachbeschädigung i.S.d. § 303 StGB“, zeigt nur, dass ihm die Argumente fehlen und er zu einer Holzhammermethode greifen muss; entweder es leuchtet sofort ein, dann genügt es, dies (ohne „zweifellos“) festzustellen – oder es leuchtet nicht ein, dann muss man seine Auffassung begründen.
  • Beachten Sie die Aufgabenstellung! Genau auf Punkt und Komma! Nur so vermeidet man Fehlinterpretationen. Lebensnotwendig! Fragen Sie sich hochkonzentriert: „Was wollen die von mir?“ – Aber auch: „Was wollen die nicht von mir?“
  • Hangeln Sie sich immer am Gesetz entlang! Lesen Sie den Paragraphen, den Sie anwenden wollen, vorher noch einmal genau durch! Sonst droht eine falsche Wiedererkennung. Der voreilige Schluss: „Den kenn‘ ich ja“, ist nicht selten ein Fehlschluss. Der Knalleffekt wird so übersehen.
  • Die Subsumtion erfolgt nicht mit Plus- und Minuszeichen! Für die Lösungsskizze allerdings ein optimales Hilfsmittel.
  • Spielen Sie nicht den Minimalisten nach dem Motto:Ich weiß Bescheid, der Korrektor weiß Bescheid – wozu noch viele Worte machen?“ Ihr Bestreben darf es nicht sein, in arroganter Fachmannpose das Problem in einer einzigen Schlusspointe aufscheinen zu lassen, sondern den Leser auf Ihren Gedankengängen mitzunehmen.
  • Evidenzbasierte Subsumtionen benötigen keinen Gutachtenstil. Basta-Stil!
  • Informieren Sie sich über das Umfeld des anzuwendenden Paragraphen2 vor – 2 zurück – und studieren Sie alle Absätze! Nicht selten steht in Abs. 5 das Gegenteil von Abs. 1!
  • Vergessen Sie die Begründungen nicht! Juristisches Wissen sollte sich sowohl durch einen hohen Grad an subjektiver Überzeugtheit auszeichnen („ich finde das richtig“) als auch durch die Verfügbarkeit einer nachprüfbaren Begründung, die die Wahrheit des „Gewussten“ garantiert („Ich finde das richtig, weil …“).
  • Womit man argumentieren kann? – Hier ein Argumentenranking: Mit dem Gesetzeswortlaut immer beginnen, dann mit der systematischen Stellung des Gesetzes fortfahren, mit der Interessenlage der Beteiligten (Gl ./. Schuldner; Gemeinschaft ./. Bürger; Staat ./. Täter; Arbeitgeber ./. Arbeitnehmer) kommen, schließlich mit der Schutzwürdigkeit der Interessen enden.
  • Starke Worte drängen sich besonders bei schwachen Argumenten auf. Hüten Sie sich vor Argumentationsstoppern! „Was keiner weiteren Ausführung bedarf“ hat nur den Sinn, eine notwendige Begründung zu umgehen; „unzweifelhaft“ ist meist höchst zweifelhaft; „unstreitig“ soll nur den Streit kaschieren; „ständige höchstrichterliche Rspr.“ suggeriert meist fälschlich ewige Wahrheiten. „klassischer Fall von …“, „kann keinem Zweifel unterliegen“. Sie sind ein untrügliches Zeichen für jeden Korrektor, dass das, was folgt, geschludert ist.
  • Name und Studentengruppe und Matrikelnummer nicht vergessen!
  • Alle Seiten, die übrigens nummeriert sein müssen, abgeben! Am nächsten Tag nachreichen zu wollen, ist regelmäßig hoffnungslos.
  • Denken Sie immer daran: Das Ende trägt die Last! Besser aber zum Schluss eine Kurzfassung als gar keine Fassung.
  • Nur Ihr eigenhändig geschriebener Klausurentext unterliegt der Korrektur! Konzepte, Gliederungen oder Hinweise im Text auf solche Konstrukte gelten als nicht vorhanden! Sollten Sie in Zeitnot geraten, dann machen Sie den nicht mehr bearbeiteten Teil der Gliederung durch deutliche Kenntlichmachung und Seitenzahlen (a, b, c …) zum integralen Bestandteil Ihrer Klausur. Besser als nichts!
  • Was Sie nicht gegen sich gelten lassen wollen, streichen Sie durch!Klammersätze unterliegen der Bewertung!
  • Denken Sie immer daran: Alle Antwortnormen bestehen ausschließlich aus Tatbestandsmerkmalen! Tatbestandsmerkmale müssen hart abgearbeitet werden. Erst das Tatbestandsmerkmal heraussezieren (eleminieren), dann die Auslegung desselben (interpretieren), dann definieren, dann erst die Subsumtion unter dieselbe! Sezieren, eliminieren, interpretieren, definieren, subsumieren!
  • Keine vorgezogenen Erörterungen! Keine Märchenklausur: „Es war einmal der Verkäufer V, der hatte 3 Söhne …“
  • Bedenken Sie, welch verheerende Wirkung formale Strukturschwächen haben: Wenn Sie die Tatbestandsmerkmale A, B und D nennen und das Merkmal C unterschlagen, haben Sie verspielt. (Z.B.: „Gem. § 242 StGB müsste T eine bewegliche Sache weggenommen haben in der Absicht …“. Das TBM „fremd“ wird einfach weggelassen.)
  • Keine Hinweise zum Aufbau! Der Aufbau folgt logisch aus sich selbst!
  • „Laut BGH“ – „Nach der ganz herrschenden Meinung“ etc.  weglassen! Ihre Meinung interessiert den Dozenten, nicht die des BGH oder der Literatur! Im Übrigen ersetzt auch ein BGH-Zitat oder ein verzwirbelter Fachbegriff nicht das Argument!
  • Prägen Sie sich schnellstmöglich gängige, juristisch gebräuchliche Formulierungen und verwenden Sie diese auch! Das zeigt Professionalität! Quietscht Ihr Gut-achtenviertaktmotor mit ständigem „also, also, also, also“ daher, wirkt das schülerhaft. Jede Wissenschaft hat ihre Sprache – also auch die unsere.
  • Lassen Sie Angstklauseln weg wie:wahrscheinlich“, „möglicherweise“, „dürfte wohl“, „ich glaube
  • Nochmals: Eine Todsünde ist die „Sachverhaltsquetsche“! Dieser und nicht jener Lebensausschnitt bildet den Sachverhalt, den Sie sich nicht auf das Maß Ihres Könnens und Wissens „schönquetschen“ können.
  • Zeiteinteilung – Wie beim Einzelzeitfahren der Tour de France: Allein gegen die Uhr! Die Berge der Fakten und die Serpentinen der Gesetze müssen Sie zeitgemäß durchfahren. Die Zeitnot ist allerdings die Zwillingsschwester der Klausur! Wenn eine Klausur vier Stunden Arbeitszeit vorgibt, dann ist sie auch inhaltlich für vier Stunden komponiert. Wenn Sie nach zwei Stunden abgeben, sind Sie im Zweifel kein Genie, sondern ein Trottel. Sie haben wahrscheinlich einige Probleme übersehen. Übrigens: Die gelebte Zeit in einer Klausur wechselt ihr Fließtempo je nachdem, ob Sie am Anfang oder am Ende der Klausur stehen. Und dennoch: Nutzen Sie am Ende immer die 20 Minuten zum sorgfältigen Durchlesen Ihrer Arbeit. Häufig erkennen Sie Auslassungen, Zahlendreher, Seitenfehlstellungen oder sonstige Mängel, die in vermeidbarer Weise Ihre Note beeinträchtigt hätten.


Das Zeitbudget für eine fünfstündige (BGB/StGB-)Klausur als Faustregel:

  • Rennfahrerklausuren: Diese Zeiteinteilung gilt allerdings nicht für die strafrecht-lichen „Rennfahrerklausuren“. Hier wird Ihnen neben der psychischen häufig auch eine physische Meisterleistung abverlangt. Die sorgfältige Bearbeitung einer solchen Klausur erfordert eine derartige Vielzahl von Straftatbestandsprüfungen, dass nur ein zügiges „Abarbeiten“ eine ans Ende kommende Darstellung gewährleistet. Während Sie im BGB praktisch gezwungen sind, den Fall zweimal zu schreiben, einmal als Skizze, zum Zweiten in der Endfassung, müssen Sie im Strafrecht möglichst sofort die eigentliche Ausarbeitung beginnen. Während im BGB die Formel lautet: „Ein Drittel denken, zwei Drittel schreiben“ heißt es im StGB: „Nur schreiben“.
  • Zum Schluss: Ihr Rechtsgefühl, Ihr „Richter-Ich“, sollte weniger als erste Er-kenntnisquelle für Klausuren, mehr als abschließender Korrekturmechanismus genutzt werden. Die Volksweisheit, dass das Gefühl oft klüger sei als der Verstand, sollte gerade nicht am Anfang, sondern erst am Ende Ihrer Klausur gelten.

Und jetzt lesen Sie bitte alles nochmal von vorn!

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