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Irrtumslehre im Strafrecht

Jeder Irrtum hat einen Bezugspunkt im strafrechtlichen Deliktsaufbau: Entweder er fußt im Tatbestand (I.) oder er fußt in der Rechtswidrigkeit (II.) oder er fußt in der Schuld (III.). Die strafrechtliche Behandlung des Irrtums hängt nur von dem Fußpunkt ab, den der Umstand des Irrens im Deliktsaufbau inne hat.

 

  • Sechs Fälle zum Irrtum über den Tatbestand

 

  1. Jäger Hubert sitzt in der Dämmerung auf dem Hochsitz an, um eine Wildsau zu schießen. Als er einen dunklen Fleck im Gebüsch entdeckt, drückt er guten Glaubens ab. Hubert trifft aber keine Wildsau, sondern die Pilzsammlerin Emma tödlich.

 

  1. Nachbar Theodor, der sich über das stundenlange Kläffen des Hundes „Tom“ ärgert, vergiftet den Hund des Nachbarn Schmitz. Angeklagt wegen Sachbeschädigung erklärt er, ein Hund sei doch keine Sache.

 

  1. Jupp sitzt im Lokal „Bei Alex“ und trinkt einige Biere, die durch den Wirt jeweils auf dem Bierdeckel durch Merkstriche notiert werden. Nach dem neunten Bier radiert Jupp fünf Striche aus, was der Wirt erst nach der Abrechnung bemerkt. Angeklagt wegen Urkundenfälschung und Betruges lässt sich Jupp dahingehend ein, er habe einen Bierdeckel nicht für eine Urkunde gehalten; Urkunden müssten doch immer von einem Notar unterzeichnet werden.

 

  1. Emma tauscht ihren VW (Kilometerstand: 50.000) gegen einen Ford der Ottilie ein. Ottilie hatte ihr wahrheitswidrig versichert, auch ihr Ford sei nur 50.000 Kilometer gelaufen; in Wirklichkeit hatte er einen Kilometerstand von 150.000 Kilometer. Als Emma von der Täuschung erfährt, holt sie heimlich mit einem noch in ihrem Besitz befindlichen Zweitschlüssel „ihren“ VW zurück. Angeklagt wegen Diebstahls erklärt sie, ein Rechtsanwalt habe ihr ausdrücklich versichert, die Übereignung (§ 929 BGB) sei wegen der arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) unwirksam, und sie sei nach wie vor Eigentümerin des VW.

 

  1. Jupp, der Max töten will, schlägt ihn mit einer Eisenstange nieder. Anschließend wirft er den vermeintlich toten Max in einen Kanal, um einen Unfall vorzutäuschen. Erst durch das Ertrinken im Kanal tritt der Tod des Max ein.

 

  1. Ehemann Jupp will seine Ehefrau Erna erschießen und lauert ihr im dunklen Hausflur auf. Es nähert sich eine Gestalt in Minikleid und Mütze. Jupp ist sicher, seine Ehefrau vor sich zu haben und schießt. Er trifft jedoch die Nachbarin Agathe, die zufällig ähnlich gekleidet ist wie Erna (Error in persona).

 

  • Fünf Fälle zum Irrtum über die Rechtswidrigkeit

 

  1. Der 30-jährige Orientale Faruk, der sich erst seit vier Wochen in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, schläft mit der 13-jährigen Nachbarstochter Emma, was in seinem Heimatland ohne weiteres möglich und straflos ist. Er lässt sich glaubhaft dahingehend ein, nicht gewusst zu haben, dass sein Verhalten in Deutschland strafbar sei.

 

  1. Der Naziarzt Dr. M, der in den Jahren 1941-1945 an der Tötung von Geisteskranken teilgenommen hat, beruft sich zu seiner Verteidigung auf einen entsprechenden rechtfertigenden „Führerbefehl“.

 

  1. Der Krankenhausarzt Dr. Schneider leistet bei der sterbenden Frau Schmitz aktive Sterbehilfe, indem er ihr eine tödliche Überdosis Morphium injiziert, in der irrigen Meinung, es gebe in der Bundesrepublik einen Rechtfertigungsgrund der aktiven Euthanasie.

 

  1. Fabrikant Müller, der nachts um 2 Uhr von einer Besprechung nach Hause kommt, sieht, dass Einbrecher E gerade im Begriff ist, seinen Sekretär aufzubrechen. Er erschießt ihn, weil er glaubt, im Fall der Notwehr jedes beliebige Verteidigungsmittel einsetzen zu dürfen.

 

  1. Jupp Schmitz begegnet auf seinem nächtlichen Heimweg in einer dunklen Seitenstraße dem stämmigen und verwegen aussehenden Pedro, der ihn mit finsterer Miene auf spanisch („Fuego, por favor“) um Feuer bittet und dabei in seine Jackentasche greift, um Zigaretten herauszuholen.

Jupp Schmitz, der die Bewegung missdeutet und glaubt, es handele sich um einen Raubüberfall, sticht Pedro mit einem Messer nieder.

 

III.  Zwei Fälle zum Irrtum über die Schuld

 

  1. Hausfrau Emma Piel, die schon zweimal wegen Diebstahls angeklagt, aber jeweils wegen Kleptomanie (Stehlsucht) gem. § 20 StGB freigesprochen worden war, begeht einen dritten Diebstahl. In diesem Verfahren kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine schwere seelische Abartigkeit nicht mehr vorliege. Emma erklärt, sie sei aber davon ausgegangen, dass sie wegen Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden könne.

 

  1. Die Prostituierte Angélique wird in einem Strafverfahren gegen ihren Zuhälter Hugo wegen Totschlags vor Gericht eidlich als Zeugin vernommen. Sie sagt wissentlich falsch aus, weil Hugo, der zur Zeit in U-Haft einsitzt, ihr gedroht hat, er werde sie töten, wenn sie nicht zu seinen Gunsten aussage. Angélique lässt sich dahingehend ein, geglaubt zu haben, dass Hugo auch bei einer Verurteilung vor Antritt der Strafe freigelassen werde und seine Drohung wahr machen würde.

In sämtlichen geschilderten Fällen liegt ein Irrtum der Täter bzw. Täterinnen vor. Unter
Irrtum versteht man grob das Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit. Für die geschilderten dreizehn Fälle sieht das „Auseinanderfallen“ wie folgt aus:

 

  • Zu I:

In den Fällen 1-6 betrifft das Nichtübereinstimmen von Vorstellung und Wirklichkeit die Tatbestandsmerkmale, nämlich:

Fall 1:  „Mensch“ in §§ 211, 212 StGB

Fall 2:  „Sache“ in § 303 StGB

Fall 3:  „Urkunde“ in § 267 StGB

Fall 4:  „fremd“ in § 242 StGB

Fall 5:  „Kausalität“ in §§ 211, 212 StGB

Fall 6:  bestimmter „Mensch“ in §§ 211, 212 StGB

  • Zu II:

In den Fällen 7-11 betrifft der Irrtum die Rechtswidrigkeit, nämlich:

Fall 7: Irrtum über das Handeln wider das Recht; Irrtum über das Verbot selbst

Fall 8: Irrtum über das Vorhandensein eines von der Rechtsordnung nicht anerkannten  Rechtfertigungsgrundes

Fall 9: Irrtum über das Vorhandsein eines von der Rechtsordnung anerkannten  Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum)

Fall 10: Irrtum über die Grenzen eines tatsächlich vorliegenden Rechtfertigungsgrundes (Notwehr)

Fall 11: Irrtum über die Annahme eines Sachverhalts, der, läge er vor, dem Täter einen anerkannten Rechtfertigungsgrund geben würde (Erlaubnistatbestandsirrtum)

  • Zu III:

In den Fällen 12 und 13 betrifft der Irrtum die Schuld, nämlich:

Fall 12: Irrtum über die Schuldfähigkeit (§ 20 StGB)

Fall 13: Irrtum über das Vorliegen eines anerkannten Entschuldigungsgrundes (§ 35 StGB)

Zum Aufbau für die Behandlung von Irrtumsfragen im Rahmen einer Falllösung ist vorab zu klären, ob Sie beim Tatbestand oder in der Schuld Ihre Überlegungen zum Irrtum darlegen.

  • Die Unkenntnis von Tatbestandsmerkmalen wird bereits beim Tatbestand untersucht, wenn man den Vorsatz selbst zum Tatbestand rechnet (subjektiver Tatbestand): so die Finalisten. ( Handlung Finale Handlungslehre)
  • Die Unkenntnis von Tatbestandselementen wird erst bei der Prüfung der Schuld, konkreter: des Vorsatzes, auftauchen, wenn man den Vorsatz als Teil der Schuld betrachtet: so die Kausalisten. ( Handlung Kausale Handlungslehre)
  • Irrtumsfragen, die sich auf die Rechtswidrigkeit als allgemeines Verbrechensmerkmal oder auf die Schuld beziehen, sind im Fallaufbau sowohl nach den Finalisten als auch den Kausalisten (das ohnehin) erst bei der Schuld, konkret: dem Vorsatz, zu erörtern.

 

Zu I.  Irrtum über den Tatbestand 

(Fälle 1-6). Irren kann man sich bei den Merkmalen des objektiven Tatbestandes nun in verschiedener Weise:

  • Der Täter kennt ein Tatbestandsmerkmal überhaupt nicht

Fall 1: Wildsaufall

Im „Wildsaufall“ hat Hubert den Tatbestand des § 212 StGB rechtswidrig erfüllt. Fraglich ist aber die Schuld, konkreter: das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung – der Vorsatz.

Jedes objektive Tatbestandsmerkmal muss vom Vorsatz umfasst sein, also vom Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Dieser Vorsatz fehlte Hubert aber; er hatte die Vorstellung, eine Wildsau zu erschießen, in Wirklichkeit erschoss er einen Menschen. Die Folgen eines solchen Tatbestandsirrtums ergeben sich unmittelbar aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB:

  • Kennt der Täter bei Begehung der Tat „einen Umstand nicht, der zum gesetzlichen Tatbestand“ gehört, so tritt die Rechtsfolge ein, dass der Vorsatz entfällt und der Täter nicht wegen vorsätzlicher Tat bestraft werden kann.
  • Ist das betreffende Delikt allerdings fahrlässig begehbar und beruht der Irrtum des Täters auf Fahrlässigkeit, so wird der Täter wegen fahrlässiger Begehung bestraft, § 16 Abs. 1 S. 2 StGB. Dabei ist zu beachten, dass nicht allen Vorsatzdelikten Fahrlässigkeitsdelikte gegenüberstehen; entsprechende Fahrlässigkeitstatbestände gibt es nur vereinzelt: z.B. §§ 212/222 StGB; §§ 223/229 StGB.

Hubert handelte gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB nicht vorsätzlich, weil er nicht wusste, dass er einen Menschen tötete. Andere Formulierungsmöglichkeit: Hubert handelte gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB nicht vorsätzlich, weil er nicht wollte, dass ein Mensch getötet wird. Es ist unnötig, sowohl die Wissens- als auch die Wollenskomponente zu betonen; vielmehr genügt ein Entweder-Oder. Wenn man nicht weiß, kann man nicht wollen – und man kann nicht wollen, wenn man nicht weiß. Also kann Hubert nicht wegen § 212 StGB bestraft werden.

Hubert könnte aber wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB strafbar sein, wenn sein Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht, § 16 Abs. 1 S. 2 StGB. Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit sind gegeben. Fraglich ist, ob der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht. Hubert verletzte die nach den Jagdregeln erforderliche und ihm mögliche Sorgfalt, als er in der Dämmerung auf ein Ziel schoss, das er vorher nicht genau angesprochen hatte d.h. über das er sich nicht vorher vergewissert hatte. Dabei hätte er objektiv wie subjektiv vorhersehen müssen, dass er einen Menschen vor sich hat. Also handelte er fahrlässig.

Also ist Hubert nach § 222 StGB schuldig.

 

Fall 2: Tom-Fall

Nachbar Theodor hat zunächst den Tatbestand des § 303 StGB rechtswidrig erfüllt. Fraglich kann nur sein, ob die irrige Annahme, ein Tier falle nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Sache“, den Vorsatz ausschließt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Der Irrtum liegt hier lediglich darin, dass Theodor ein Tier nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Sache“ einordnete. Das Tatbestandsmerkmal „Sache“ ist ein deskriptives Tatbestandsmerkmal. Irrt nun, wie im „Tom-Fall“, der Täter bei der Unterordnung des konkreten Sachverhalts – Hund – unter ein deskriptives Tatbestandsmerkmal – Sache in § 303 StGB – (sog. Subsumtionsirrtum), so ist dieser Irrtum unbeachtlich. Die richtige Subsumtion ist nicht Aufgabe des Täters. Für seinen Vorsatz reicht es aus, wenn er den unter das deskriptive Tatbestandsmerkmal fallenden Sachverhalt kennt, hier also weiß, dass er einen „Hund“ vergiftet. Die richtige juristische Unterordnung ist nicht erforderlich.

Also genügt es, wenn Theodor die konkreten Sachverhaltselemente kennt, die unter das betreffende Tatbestandsmerkmal zu subsumieren sind. Theodor wusste, dass er einen Hund vergiftete, die richtige juristische Subsumtion ist nicht seine Aufgabe.

Also handelte Theodor vorsätzlich. Also ist Theodor gem. § 303 StGB strafbar.

 

Weiteres Beispiel: Moritz macht sich einen Spaß daraus, nachts die Luft aus den Reifen parkender Autos zu lassen in der irrigen Meinung, ein „Beschädigen“ könne nur dann vorliegen, wenn die Substanz der Sache verletzt worden ist.

 

Auch hier ist der Irrtum als Subsumtionsirrtum unter ein deskriptives Tatbestandsmerkmal des § 303 StGB („beschädigen“) unerheblich. Es genügt, dass Moritz weiß (und damit vorsätzlich handelt), seine Handlung werde die Funktionstauglichkeit der Autos aufheben.

 

  • Der Täter irrt, weil er nicht richtig unter ein normatives Tatbestandsmerkmal subsumiert

Fall 3: Bierdeckelfall 

Tatbestandsmäßig liegt das Verfälschen einer echten Urkunde gem. § 267 Abs. 1 2. Alt. StGB vor. Eine Urkunde ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist, eine Tatsache zu beweisen und die den Aussteller erkennbar werden lässt. Die Merkstriche auf dem Bierdeckel verkörpern (Verkörperungsfunktion) den für den Rechtsverkehr in „Kneipen“ beweiserheblichen Gedankeninhalt über die Zahl der gekauften und übereigneten Biere (Beweisfunktion). Als Aussteller ging erkennbar der Wirt hervor (Garantiefunktion). Diese Urkunde hat Jupp verfälscht. Ein Verfälschen liegt dann vor, wenn der Täter dem Beweisinhalt eine andere Richtung verleiht, also der Inhalt der Urkunde nach der Manipulationshandlung etwas anderes beweist als vorher. Durch das Wegradieren von Merkstrichen hat Jupp der echten Urkunde „Bierdeckel“ eine andere Beweisrichtung gegeben und das auch zur Täuschung im Rechtsverkehr. 

Fraglich ist, ob der Vorsatz ausgeschlossen ist, da Jupp den Bierdeckel nicht als Urkunde angesehen hat. Das Merkmal „Urkunde“ ist ein normatives Tatbestandsmerkmal. 

Dabei stellt sich die Frage, wie ein auf falscher rechtlicher Wertung beruhender Irrtum über ein solches Merkmal strafrechtlich zu behandeln ist. Auch bei den normativen Tatbestandsmerkmalen handelt es sich um „Tatumstände“ i.S. von § 16 Abs. 1 StGB, so dass ein Irrtum, der zur Unkenntnis eines solchen Merkmals führt, grundsätzlich also den Vorsatz gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB ausschließen muss. Die Frage ist nun, was zum Vorsatz (Wissen und Wollen) hinsichtlich eines normativen Merkmals gehört, was der Täter also wissen (und folglich auch wollen) muss. Für diesen Vorsatz reicht es aus, wenn der Täter die das normative Tatbestandsmerkmal ausfüllenden konkreten Sachverhaltselemente, also die Tatsachen, kennt und auch nach Laienart den rechtlichen Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals erfasst, sog. Parallelwertung in der Laiensphäre. 

Konkreter:

  • Ein Subsumtionsirrtum bei normativen Tatbestandsmerkmalen führt nicht zum Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn 
  • der Täter die Tatsachen kennt, die unter das betreffende normative Tatbestandsmerkmal subsumiert werden und 
  • den rechtlichen Gehalt des betreffenden normativen Tatbestandsmerkmals aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfasst hat. 

Er muss eine Vorstellung gehabt haben, die dem Wissen um eine Urkunde in etwa entspricht. Es ist nicht erforderlich, dass er wie ein Jurist subsumiert, anderenfalls könnten nur noch Juristen bestraft werden. Die Subsumtion unter das Gesetz ist nicht Aufgabe des Täters. Deshalb braucht seine Wertung auch keine exakte juristische Subsumtion zu sein. Es muss ausreichen, wenn er die rechtliche Bewertung laienhaft nachvollzogen hat.

Also: kein Vorsatzausschluss bei Kenntnis der Tatsachen plus Parallelwertung in der Laiensphäre (unbeachtlicher Subsumtions-irrtum).

  • Ein Subsumtionsirrtum bei normativen Tatbestandsmerkmalen führt dann zum Vorsatzausschluss gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn 
  • der Täter bei Kenntnis der Tatsachen 
  • die Parallelwertung in der Laiensphäre nicht nachvollzogen hat.

Also: Vorsatzausschluss bei Kenntnis der Tatsachen plus fehlender Parallelwertung in der Laiensphäre (beachtlicher Subsumtionsirrtum).

Die Unkenntnis des rechtlichen Urkundsbegriffs, die dazu führte, dass Jupp den Bierdeckel nicht für eine Urkunde hielt, schließt den Vorsatz dann nicht aus, wenn Jupp die den Urkundenbegriff ausfüllenden Sachverhaltselemente kannte und die rechtliche Bewertung – auch ohne korrekte juristische Kenntnisse –, wenn auch laienhaft, nachvollzogen hat. Jupp wusste, dass die Merkstriche eine Gedankenerklärung des Wirtes über die Anzahl der getrunkenen Biere verkörpern; er wusste, dass der Wirt als Aussteller dieser Erklärung erscheint; er wusste, dass bei der Abrechnung – also im Rechtsverkehr – diese Merkstriche Beweisbedeutung haben. Folglich hat er nach Laienart richtig bewertet. Das reicht für den Vorsatz aus. Die Tatsache, dass er den Bierdeckel nicht für eine Urkunde hielt, weil sie nicht vom Notar unterzeichnet ist, ist ein im Rahmen des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB unbeachtlicher Subsumtionsirrtum, der den Vorsatz unberührt lässt. Jupp ist der Verfälschung einer Urkunde gem. § 267 Abs. 1 2.Alt. StGB schuldig (daneben noch wegen § 267 Abs. 1 3. Alt StGB und wegen Betruges gem. § 263 StGB).

 

Fall 4: Autotauschfall 

Emma hat den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt. Der Golf war für Emma eine fremde bewegliche Sache, weil allein das Vorliegen einer arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) die Übereignung durch Emma an Ottilie (§ 929 S. 1 BGB) nicht unwirksam macht. Erst mit der Anfechtung des dinglichen Geschäfts wird Emma wieder rückwirkend Eigentümerin (§ 142 Abs. 1 BGB). Eine Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) gegenüber Ottilie ist jedoch noch nicht erfolgt. Also war der Golf für Emma fremd. Diesen hat sie auch „weggenommen“. Fraglich ist allerdings, ob Emma auch Zueignungsabsicht hatte. Zueignungsabsicht ist der Vorsatz bzgl. der Aneignung des Gegenstandes und der Enteignung des Berechtigten (verkürzt). Zu beachten ist, dass auch vom Standpunkt der „Kausalisten“ Irrtumsfragen mit zum Tatbestand gehören, wenn sie subjektive Tatbestandsmerkmale betreffen. Wer irrig annimmt, die weggenommene Sache gehöre bereits ihm (Irrtum über das normative Tatbestandsmerkmal „fremd“), dem fehlt logischerweise bereits das subjektive Merkmal „Zueignungsabsicht“. Denn wer glaubt, eine eigene Sache wegzunehmen, der kann nicht gleichzeitig den Willen haben, einen anderen zu enteignen und sich die Sache anzueignen. Nun kannte Emma zwar alle konkreten Sachverhaltselemente, die zum Eigentumserwerb der Ottilie am Golf führten. Sie hat die entsprechende Subsumtion aber in der Laiensphäre nicht richtig vollzogen, weil sie, veranlasst durch die falsche Auskunft des Rechtsanwaltes, den Eigentumsübergang für unwirksam hielt. Sie hat auch nach Laienart das Tatbestandsmerkmal „fremd“ nicht richtig erfasst, also nicht gewusst, dass der Golf Ottilie gehört. Sie hatte keine Vorstellung, die dem Wissen um das fremde Eigentum der Ottilie entspricht, weil sie fest davon überzeugt war, der Golf gehöre aufgrund der Täuschung der Ottilie nach wie vor ihr. Folglich fehlt ihr gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB der Vorsatz bzgl. des normativen Tatbestandsmerkmals „fremd“ und damit das Wissen, die Sache „Golf“ unter Nichtachtung der Eigentumsberechtigung der Ottilie ihrem Vermögen einzuverleiben, mithin die Zueignungsabsicht.

Emma kann daher nicht wegen Diebstahls gem. § 242 StGB bestraft werden.

Eine Bestrafung nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB wegen fahrlässiger Begehung ist nicht möglich, weil es einen fahrlässigen Diebstahl nicht gibt.

 

  1. Der Täter irrt sich über den Kausalverlauf

Fall 5: Kanalfall

Im „Kanalfall“  hat Jupp den Tatbestand des § 212 StGB erfüllt. Er hat einen Menschen getötet. Durch seine Handlung, das Schlagen mit der Eisenstange, hat er auch die Ursache für den Tod des Max durch Ertrinken gesetzt. Die Schläge mit der Stange können nämlich nicht hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Tod der vermeintlichen Leiche durch Ertrinken eingetreten wäre. Also handelte Jupp kausal für den Tod des Max. Jupp müsste vorsätzlich gehandelt haben. Als er die Schläge mit der Eisenstange führte, hat Jupp zumindest in Kauf genommen, dass Max stirbt. Er hatte bei seiner Handlung also bedingten Tötungsvorsatz. Bei den Erfolgsdelikten gehört aber auch der Kausalverlauf als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zum objektiven Tatbestand. Der Täter muss also nicht nur die tatbestandliche Handlung (schlagen) und den tatbestandlichen Erfolg (Tod des Max) in seinen Vorsatz aufnehmen, sondern auch den Kausalverlauf. Jupp wusste nicht, dass Max durch Ertrinken sterben würde, vielmehr wollte er ihn sofort mit den Schlägen töten. Also fielen Vorstellung und Wirklichkeit auseinander, er irrte über den Kausalverlauf. Weil nie alle Einzelheiten des Kausalverlaufs genau vorhersehbar sind, genügt es, wenn der Täter den Geschehensablauf in seinen wesentlichen Zügen kennt. Unerhebliche Abweichungen des vorgestellten Kausalverlaufs vom tatsächlich eingetretenen Kausalverlauf lassen den Vorsatz unberührt („Kausalwissen ist da“). Ein nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB den Vorsatz ausschließender Irrtum über den Kausalverlauf liegt umgekehrt dann vor, wenn der tatsächlich eingetretene Kausalverlauf wesentlich von dem vorgestellten Kausalverlauf abweicht („Kausalwissen fehlt“).

Unerheblich sind Abweichungen, wenn

  • sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und
  • keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.

So liegt es hier. Nach allgemeiner Lebenserfahrung war es durchaus vorhersehbar, dass Max durch die Schläge nur bewusstlos geworden sein könnte und dass der Tod erst später als Folge des Hineinwerfens in den Kanal ausgelöst werden würde. Der tatsächliche Kausalverlauf liegt also noch im Rahmen adäquater Verursachung. Auch wertungsmäßig stehen das objektiv Geschehene und das von Jupp Gewollte gleich.

Damit liegt eine nur unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vor, und Jupp ist wegen vollendeter vorsätzlicher Tötung nach § 212 StGB zu bestrafen.

 

Beispiele für wesentliche Abweichungen vom Kausalverlauf sind etwa:

  • A will B mit dem Messer erstechen. In Wirklichkeit ist B nur leicht verletzt, stirbt aber auf dem Weg ins Krankenhaus infolge eines tödlichen Unfalls.


  • A will dem B einen Denkzettel verpassen und verprügelt ihn. Bei der ärztlichen Be-
    handlung stirbt B infolge eines Kunstfehlers des Arztes.

 

  1. Der Täter irrt gar nicht, sondern verwechselt nur die Personen (Error in persona)

 

Fall 6: Verwechslungsfall

Im „Personenverwechslungsfall“  ist Ehemann Jupp wegen vollendeten Mordes (heimtückisch) gem. § 211 StGB zu bestrafen.

Bei der Figur des „Error in persona“ handelt es sich gar nicht um einen Irrtum über den Kausalverlauf; der Verletzungserfolg tritt in diesen Fällen immer an der Person ein, an der er nach der Vorstellung des Täters auch eintreten sollte. Jupp irrt nur über die Identität des Opfers. § 211 StGB verlangt aber nur die Tötung eines Menschen – nicht die Tötung eines bestimmten Menschen, und Jupp hat einen Menschen getötet.

 

Zu II. Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Verbotsirrtum) (Fälle 7-11)

 

Zunächst muss man die Stellung dieses Irrtums im Deliktsaufbau klären. Beim eben behandelten Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) kennt der Täter einen Umstand nicht, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Mit anderen Worten: Ist auch nur ein Tatbestandsmerkmal nicht vom Vorsatz umfasst, liegt ein Tatbestandsirrtum vor: Der Vorsatz entfällt. Der Tatbestandsirrtum ist auf der Ebene des Vorsatzes zu erörtern (zweites Element der Schuldebene). Kurz noch einmal:

 

Beispiel: Ehemann A zerschmettert anlässlich einer ehelichen Auseinandersetzung die wertvolle Meißener Vase, von der er glaubt, sie gehöre ihm. In Wirklichkeit gehört sie seiner Ehefrau. Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, weil das Tatbestandsmerkmal „fremd“ nicht vom Vorsatz umfasst ist. A kann nicht wegen § 303 StGB bestraft werden, da der Vorsatz fehlt.

 

Beim Verbotsirrtum dagegen (§ 17 StGB) weiß der Täter, was er tatbestandsmäßig tut und will das auch, nimmt aber irrig an, es sei erlaubt. Damit entfällt das Bewusstsein, Unrecht zu tun – es fehlt dann das Unrechtsbewusstsein (drittes Element der Schuldebene).

 

Das Fehlen des Unrechtsbewusstseins kann verschiedene Ursachen haben:

  • Im „Orientalenfall“ (Fall 7) erkennt Faruk überhaupt nicht, dass seine Tat verboten und daher Unrecht ist (direkter Verbotsirrtum).
  • Im „Naziarztfall“ (Fall 8) sowie im „Euthanasiefall“ (Fall 9) wissen die Ärzte, dass ihre Taten, die Tötung von Menschen, „an sich“ verboten und daher Unrecht sind. Sie glauben aber, im konkreten Fall gerechtfertigt zu sein. Sie irren über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, den es nicht gibt (indirekter VerbotsirrtumErlaubnisirrtum).
  • Im „Fabrikantenfall“ (Fall 10) weiß Fabrikant Müller ebenfalls, dass die Tötung eines Menschen grundsätzlich verboten ist. Er weiß auch, dass er einen existierenden Rechtfertigungsgrund (Notwehr gem. § 32 StGB) zur Seite hat, irrt aber über die Grenzen des anerkannten Rechtfertigungsgrundes (indirekter VerbotsirrtumErlaubnisirrtum).
  • Im „Fuego-por-favor-Fall“ (Fall 11) irrt Jupp weder über die Existenz eines nicht anerkannten noch über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum). Vielmehr nimmt er irrig die Existenz eines Sachverhaltes an, bei dessen Vorliegen ein Rechtfertigungsgrund eingriffe (irrige Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs). Einen solchen Irrtum nennt man treffend: Erlaubnistatbestandsirrtum – auch ein Fall eines indirekten Verbotsirrtums.

 

Die rechtliche Behandlung des Verbotsirrtums

 

Fall 7: Orientalenfall

Im „Orientalenfall“ hat Faruk tatbestandsmäßig und rechtswidrig gem. §§ 176 I, 176 a I 1 StGB gehandelt. Er wusste, dass er mit der 13-jährigen Nachbarstochter schläft und wollte dies auch. Also handelte er vorsätzlich. Faruk ging aber davon aus, dass, wie in seinem Heimatland, der Beischlaf mit Kindern ohne weiteres erlaubt sei. Damit fehlt ihm die Vorstellung, Unrecht zu tun. Nach § 17 StGB kommt es nunmehr darauf an, ob der Verbotsirrtum vermeidbar war oder nicht.

 

An die Vermeidbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist, ob der Täter mit seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen

  • sein Gewissen genügend angespannt hat (Frage an sich selbst) und
  • sich ggf. ausreichend bei einer kompetenten Person erkundigt hat (Frage an Dritte).

Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums ist die Regel, die Unvermeidbarkeit die Ausnahme. Ob also Faruk seinen Irrtum hätte vermeiden können, ist Tatfrage, aber wohl ausnahmsweise zu verneinen. Eine Bestrafung würde dann gem. § 17 S. 1 StGB ausscheiden.

Anders liegt der Fall, wenn das 16-jährige verarmte Jüppchen glaubt, einem aktuellen Hungerbedürfnis könne man durch straflosen „Mundraub“ begegnen, und ein Pfund Bananen aus dem Supermarkt entwendet. Bei gehöriger Anspannung seines Gewissens hätte sich Jüppchen durch Nachdenken und Erkundigung Gewissheit darüber verschaffen können und müssen, dass auch der Diebstahl geringwertiger Sachen Diebstahl ist. Der Irrtum war vermeidbar. Jüppchen ist strafbar gem. §§ 242, 248a, 17 S. 1 StGB (mit Milderungsmöglichkeit gem. § 17 S. 2 StGB).

Im „Naziarztfall“ (Fall 8), „Euthanasiefall“ (Fall 9) und „Fabrikantenfall“ (Fall 10) (Erlaubnisirrtum) wissen die Täter jeweils, dass sie Unrecht in die Welt setzen (im Gegensatz zum „Orientalenfall“), glauben aber ausnahmsweise, dies wegen der besonderen Umstände tun zu dürfen. Diese Fälle sind ebenso nach § 17 StGB zu behandeln wie der direkte Verbotsirrtum. Hier wie dort fehlt dem Täter die Einsicht, Unrecht zu tun. Da der Irrtum in diesen Fällen jeweils vermeidbar war, werden die Täter gem. § 17 S. 1, 2 StGB jeweils wegen vorsätzlicher Tötung bestraft.

 

Die Behandlung des „Fuego-por-favor-Falls“ (Fall 11) ist umstritten.

 

  • Strenge Schuldtheorie

Nach dieser Meinung spielt es keine Rolle, ob der Irrtum über die Rechtswidrigkeit auf einem Rechtsirrtum beruht (vgl. oben Fälle 7, 8, 9, 10) oder auf einem Sachverhaltsirrtum (oben Fall 11). Erlaubnisirrtum und Erlaubnistatbestandsirrtum können immer nur (eben „strenge“) zu einem Verbotsirrtum führen. Diese Theorie stellt nur auf das Ergebnis ab, nämlich auf die Tatsache, dass das Unrechtsbewusstsein fehlte. Sie fragt nicht, ob es dazu kam, weil der Täter

  • gar kein Unrechtsbewusstsein hat (Fall 7),
  • irrig einen von der Rechtsordnung nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund annimmt (Fälle 8, 9),
  • irrig die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes überschreitet (Fall 10) oder
  • irrig einen rechtfertigenden Sachverhalt annimmt (Fall 11).

 

Im erwähnten Fall 11 der sog. Putativnotwehr (lat.: putativ, d.h. vermeintlich) kommt es also danach darauf an, ob dieser Sachverhaltsirrtum vermeidbar war, § 17 StGB. Verneinendenfalls ist Jupp strafbar wegen §§ 223, 224 StGB.

 

  1.   Eingeschränkte Schuldtheorie

Sie wendet § 16 StGB analog für den Fall – und nur für den Fall – an, dass der Täter irrig an die Existenz eines rechtfertigenden Sachverhalts glaubt (Erlaubnistatbestandsirrtum). Dieser Theorie ist zu folgen, da nur sie den Besonderheiten der Situation gerecht wird (h.M.); denn der Täter ist an sich rechtstreu; er will ja die Rechtsgebote befolgen und verfehlt dieses Ziel nur wegen seines Irrtums über die Sachlage, aus der sein Handeln resultiert. Dieser Irrtum hindert ihn in der Regel, die Gefahr eines Rechtsverstoßes überhaupt zu erkennen. Daher trifft auf ihn der Gedanke des § 16 StGB zu, der ihm nicht die wirkliche, sondern nur die irrig angenommene Sachlage zurechnet. Er verdient nicht die Vorsatzstrafe (so aber § 17 StGB), sondern allenfalls – wenn die Annahme, sich in einer Notwehrlage zu befinden, auf Fahrlässigkeit beruht – die Fahrlässigkeitsstrafe (wenn das Delikt denn fahrlässig begehbar ist).

Für Fall 11 kommt es also gar nicht darauf an, ob Jupp den Irrtum über die Sachlage vermeiden konnte oder nicht. In jedem Fall entfällt der Vorsatz für den Stich mit dem Messer und damit eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 StGB gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog. Ein Sorgfaltsmangel wird erst im Rahmen der nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB anzustellenden Fahrlässigkeitsprüfung (§ 229 StGB) berücksichtigt.

Zu III.  Irrtum über Elemente der Schuld (Fälle 12 und 13)

 

  • Der Irrtum über die eigene Schuldfähigkeit, wie im „Kleptomaniefall“ (Fall 12), ist völlig unbeachtlich.
  • Die irrige Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines entschuldigenden Notstandes ist in § 35 Abs. 2 StGB geregelt, der der Verbotsirrtumslösung nachgebildet ist. Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach § 35 StGB entschuldigen würden (Vorliegen einer entschuldigenden Situation), so ist sein Irrtum beachtlich, weil sich der Täter ja in der gleichen psychischen Ausnahmesituation befindet, als wenn die Situation in Wirklichkeit vorläge. Gem. § 35 Abs. 2 StGB ist jedoch wie beim Verbotsirrtum (§ 17 S. 1, 2 StGB) zu differenzieren:
  • Bei Unvermeidbarkeit: Straflosigkeit
  • Bei Vermeidbarkeit: Bestrafung aus Vorsatzdelikt mit der Möglichkeit der Strafmilderung

Für § 33 StGB muss § 35 Abs. 2 StGB analog gelten.

Da sich Angélique im „Prostituiertenfall“ (Fall 13) bei einiger Überlegung immerhin sagen konnte, dass Hugo weiterhin in Haft bleibt, war die irrige Annahme des Nötigungsnotstandes (§ 35 StGB) für sie vermeidbar. Sie ist wegen Meineides gem. § 154 StGB zu bestrafen (mit Milderungsmöglichkeit).

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