„Die Bewerber sollen in der Prüfung zeigen, dass sie das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden können und über die hierzu erforderlichen Kenntnisse in den Pflichtfächern verfügen.“ – So heißt es in allen juristischen Prüfungsordnungen der Länder und menetekelhaft aus Dozentenmündern. Muss man das verstehen? – Das gesamte „Recht“? – Was bedeutet „Verständnis“? – Welche „Erfassungsmittel“ bei welchen „Anwendungssituationen“? – „Erforderlich“? Was ist erforderlich? Wer legt das fest? – Welche Kompetenzen sind vonnöten? Und: „Kenntnisse“? In welchem Umfang? Alles? Grundzüge? Teilgebiete? – Ist das Alles der Willkür der Prüfungsämter überlassen?
Da schleicht sich Angst ein. Hinzu kommt, dass man in den ersten Tagen und Wochen als Student auch oft mit Horrormeldungen von Dozenten, Assistenten und älteren Semestern überhäuft: Wie schwer ein ➞ Jurastudium sei. Wie schnell man für den ➞ „Freischuss“ studieren müsse. Wie hoch die Durchfallquote sei. Wie unendlich wichtig ein ➞ „Prädikatsexamen“ als Wertmarke für den juristischen Arbeitsmarkt sei. Wie unlösbar die ➞ Klausuren seien. Und
so weiter und so fort. Daraus kann leicht der Eindruck entstehen: „Das schaffe ich nie!“ Falsch! Jura ist keineswegs ein Studium nur für intellektuelle Überflieger, sondern lässt jedem Abiturienten eine Chance. Aber dann muss der „Erste Tag der Schöpfung der Jurawelt“ auch ganz überwiegend dem Entdecken unumstößlicher juristischer Gewissheiten, methodischer, ewiger „Wahrheiten“ jurastudentischer Lern-Strategien, dem erlernbaren und nachvollziehbaren juristischen Denken und dem methodischen Arbeiten gehören. Erfolgreich ist der Jurastudent, der sich klar definierte Ziele setzt und sich genau überlegt, in welchen Schritten er sie wann erreichen will.
Seien Sie von Anfang an gewarnt: Viele ➞ Professoren meinen, es sei nicht Aufgabe der Universitäten – im Gegensatz zu Schule und Fachhochschule – den Stoff umfassend zu vermitteln. Die „vorlesenden“ Damen und Herren Ihrer Fakultät geben Ihnen keine Garantie für die vollständige Behandlung des examensrelevanten und semesterbegleitenden Lehrstoffes. Sie sehen ihre Vorlesungen nur als Angebot, Anreiz, Hilfestellung, Leitfaden zur Vervollkommnung „Ihres“ Wissens. Seien Sie sich Ihrer Eigenverantwortung bezüglich der Aneignung der juristischen Inhalte immer bewusst. „Hat er nicht gebracht!“ geht nicht! Sie können tun und lassen, was Sie wollen an der Uni! Aber nur Sie allein haben ihr Studium auch zu „vertreten“ (juristischer Fachausdruck für „verantworten“). Nur Sie allein sind dafür verantwortlich, sich die juristische Studienkompetenz anzueignen. Studere, lat. sich bemühen; competere, lat. zu etwas fähig sein; Studienkompetenz ist also das Bemühen um die Fähigkeit, Jura zu studieren. Übersetzt heißt das, die Fähigkeit zu erwerben, ungeheure Stoffmengen zu verarbeiten, die Fähigkeit, Rechtswissenschaft zu betreiben und die Fähigkeit, juristische Klausuren zu schreiben.
Wie können Sie diese Kompetenz erlangen? – Von selbst jedenfalls nicht! Dafür benötigt man zum Auftakt Wegbereiter, Hilfe von außen, da Jura nicht auf dem Lehrplan Ihres Gymnasiums gestanden hat. Während die angehenden Studenten fast aller anderen Fakultäten schon in der Schule zumindest einen Einblick in ihr künftiges Studiengebiet erhalten, wird dem angehenden Jurastudenten außer spärlichen Rechtskunde-AG‘s nichts geboten, was ihm sein späteres Juragebiet näher brächte. Es ist fast wie bei einem „blind date“! Viele fragen deshalb händeringend: „Was muss ich eigentlich tun, um wirkungsvoll, schnell und erfolgreich in die ‚juristische Anfangsszene‘ einzusteigen? – Es gibt so viele schlaue Bücher über alles Mögliche, aber kaum eines über das Brückenwissen von der Schule hin zum juristischen Denken und Arbeiten, keines über die Passagen hin zu den speziellen Lernmethoden und Lerntechniken in der Juristerei, keines, das mit mir den Kampf gegen das Vergessen aufnimmt, keines, das praktisches juristisches Lernen vermittelt, keines, das meinen juraspezifischen Arbeitsalltag rhythmisiert, das Vorlesungslernen und Literaturlernen optimiert, keines, das bei Klausuren souffliert. Hinzu kommen die Fragen Wie studieren? – Was studieren? – Womit studieren? – Wofür studieren? – Wann studieren? – Wo studieren? – Wie lange studieren?, Fragen über Fragen, durch die man sich meist selbst navigieren muss, um Enttäuschungen und Umwege zu vermeiden. Schließlich geht es um das Fundament für mein ganzes Berufsleben.“
Sie haben traurigerweise Recht! Zwar sind die für die angehenden Juristen einschlägig-anfänglichen, altehrwürdigen Gesetzeswerke, wie z.B. das GG, das BGB, die ZPO, die StPO und das StGB, beinahe von dem Augenblick ihres In-Kraft-Tretens an und dann durch die Jahrzehnte hin, studiert und bis in die letzten Winkel ausgeleuchtet, kommentiert, gefeiert, verflucht, richterlich und rechtswissenschaftlich durchpflügt und geistig erörtert worden wie – mit Ausnahme der Bibel – wohl kaum ein anderes Werk in Deutschland. Allein das gilt nicht für einfühlsame, didaktisch angelegte Einführungswerke über die Kunst des Entdeckens des Anfangens in der Juristerei. Der neugierige Jurastudent bleibt meist allein!
Leider wird der Weg in dieses unbekannte Jura-Land „Jurististan“ von vielen Dozenten und in der Literatur oft so behandelt, als verstünde er sich von selbst, so dass ihn „zu erlernen“ kein Gegenstand juristischer Bildung und Ausbildung sei. Auch fühlt sich zu Beginn des Studiums keiner Ihrer Dozenten, die sich mit Bravour durch die Dickichte ihrer juristischen Spezialgebiete schlagen, „funktionell“ so richtig zuständig für den steinigen Weg des Erlernens der juristischen Denk- und Arbeitsweise, der nur der Juristerei eigenen Methodik, ihrer Sprach- und Stilmittel und der Umsetzung des Erlernten in juristische Leistungskontrollen, speziell in Klausuren, Referate und Hausarbeiten. Jeder Dozent vertraut hinsichtlich der „Basics“ und der „Skills“ auf den anderen! Es ist die universitäre Ausprägung des St. Florian Prinzips. Und der arme Jurastudent ist verlassen! Allein gelassen im juristischen Paragraphendschungel ohne ein überlebenswichtiges „survival-package“. Dem lockeren „Ich mach dann mal Jura“ des Abiturienten und seinem „Hurra! Jura!“ folgt sehr bald ein fragendes „Jura?“ und nicht selten ein resigniertes „Das war’s dann mit Jura!“. Den wesentlichen Grund für den häufigen Studienabbruch in Jura sehe ich in der erlebten und durchlittenen Diskrepanz zwischen den frohen Erwartungen der Abiturienten an das Jurastudium und ihren traurigen Erfahrungen als Jurastudenten im Hinblick auf eine einfühlsame Hinführung zu der Komplexität des juristischen Stoffes, auf das schwierige Lehr- und Lernklima in den juristischen Massen-Hörsälen, auf die schweren Klausuren und die daraus resultierenden Zweifel speziell an sich und ganz generell am Sinn des Jurastudiums. Sie treffen als junge Menschen des 21. Jahrhunderts auf eine juristische Fakultät des 20. Jahrhunderts und auf eine Lehre des 19. Jahrhunderts. Folge: depressive Resignation über die Widersprüchlichkeit zwischen dem, was der junge Student erwartet und dem, was ihn erwartet. An dieser These ist auf dem ersten Blick viel dran – und bei näherem Hinsehen noch mehr.
Das Jurastudium ist ein erkenntnisgewinnender Prozess, wie jedes Studium – klar! Klar ist auch das Ende dieses Prozesses – das Erste Examen. Unklar ist für Sie, wie man in diesem Prozess die für das Prozessende notwendigen Erkenntnisse am besten gewinnt. Seien Sie unbesorgt: Die meisten Lehrgegenstände, gerade am Anfang des Studiums, sind nicht von unlösbarer Natur. Es handelt sich vielmehr um lösbare Aufgaben. Solche sind lernbar. Aber wie? Sie sind gerade dabei! Juristisches Lernen ist eine evolutionäre Entwicklung, durch die man fähig wird, juristisch zu denken, zu arbeiten und zu argumentieren. Möglichst alle Studenten müssten nach dem ersten Semester wissen, wie man Vorlesungen optimieren, Literatur-Quellen erschließen, sich Klausuren-Techniken, Studien-Strategien und Lern-Regeln aneignen kann, mit deren Hilfe neues Wissen erschlossen und altes angewendet werden kann. Nach den ersten 90 Tagen des Jurastudiums müsste jeder Jurastudent sagen können:
- „Ich kann mir das juristische Wissensangebot individuell aneignen!“
- „Ich kann einen juristischen Fall methodisch sicher angehen!“
- „Ich habe das juristische Denken und Arbeiten im Prinzip begriffen!“
- „Ich kann die Inhalte des 1. Semesters in einen Gesamtzusammenhang stellen!“
Kann aber leider kaum einer sagen! Denn es fehlt schlicht eine propädeutisch-juristische Orientierungsphase als erfolgreiche Studieneingangsphase (➞ Studienaufbruch). Der Jurastudent findet oft auf seine Frage „Wo und wie, bitte, geht’s zur Juristerei?“ die richtige Antwort nicht. Der erste Elan ist schnell verpufft. Ein Mensch mag noch so klug geboren sein, zum guten Jurastudenten wird er überwiegend durch Disziplin und Fleiß. Und: Seine Bereitschaft, kluge Gedanken anderer über das Jurastudium als klug zu erkennen und den Rat und die Erfahrung dieser anderen anzunehmen. Kein Strom ist durch sich selbst groß und mächtig geworden, sondern allein dadurch, dass er Nebenflüsse aufnimmt.
Aus Ihrem Interesse an Jura muss ab jetzt Neigung werden! Die magische Zeit zwischen Abitur und Studiumsbeginn, die Zeit der unbekümmerten Planlosigkeit ist durchlebt. Die einzige Zeit im Leben, in der alles für Sie offen stand! Eine Zeit, in der aber auch wichtige Entscheidungen reifen mussten, sonst säßen Sie heute nicht hier, wo Sie als Jurastudent sitzen. Irgendwann auf der Überlegungsschiene von Plänemachen und Pläne-über-den-Haufen-werfen haben Sie dann die Weiche für das Jurastudium gestellt, für ein klassisches Studium, das Ihr Leben auf den Kopf stellen wird.
Das Jurastudium ist sicher das kälteste Wasser, in das Sie auf Ihrem Bildungsweg je gesprungen sind. Der Zustrom neuen Wissens ist gewaltig. Ohne anfängliche Beratung von außen geht es nicht. Mit Ihrer juristischen Ausbildung werden Sie einen neuen, auf Jahre hin angelegten Lebensabschnitt beginnen. Ihre neue jura-studentische Lebensphase wird als ein ganz wichtiger Teil in Ihr ganzes Dasein eingeordnet sein. Ihr Jura-Studium wird aber seinen vollen Sinn in Ihrem Leben nur dann gewinnen, wenn es sich auch wirklich auf Ihr Leben hin erfolgreich auswirkt. Wahrscheinlich wird das juristische Studium der Mittelpunkt Ihres ganzen Lebens. Alles Bisherige ist darauf zugelaufen, alles Folgende findet hier sein Fundament. Sie haben die Lebensphase des Schülers verlassen und sind in die Lebensphase des Jurastudenten gewechselt. Ihr seelischer und geistiger Zustand wechselt von Schule zu Hochschule, von Geborgenheit zu studentischer Freiheit. Sie werden sehr bald in einer raffinierten, gelehrten ➞ Juristensprache über zivilrechtliche und strafrechtliche Lebenssachverhalte und ➞ Gesetze in ➞ Vorlesungen und ➞ Literatur nachdenken, in ➞ Klausuren und ➞ Hausarbeiten darüber schreiben und in ➞ Referaten über sie reden müssen. Hierzu fehlen Ihnen häufig das Vorwissen und die Erlebnisgrundlage.
Es ist nun ganz wichtig, sich schon als junger Student auf seinem Weg vom Abiturienten zum Jurastudenten ganz schnell methodische und strukturelle gedankliche Disziplin anzueignen, die es ermöglicht, die sich hinter den verschiedensten Aspekten der ➞ Juristerei verbergende methodische Einheitlichkeit zu überblicken und begreifen zu lernen. Auch Sie haben sich wahrscheinlich zu Beginn Ihres ➞ Studienaufbruchs in die juristische Welt im Bemühen um eine Strategie für das richtige Jurastudium und für die komplizierte Durchdringung der Paragraphenwelt allein gelassen gefühlt. Dieses Ohnmachtsgefühl haben Sie mit fast allen Jurabeginnern geteilt.
Es gibt kein Geheimnis des juristischen Anfangs. Es gibt nur Studenten, die sich nicht darum bemühen. Gerade in den ersten Tagen und Wochen wird man nur allzu oft mit Horrormeldungen von Dozenten, Assistenten und älteren Semestern überhäuft: Wie schwer ein ➞ Jurastudium sei, wie schnell man für den ➞ Freischuss studieren müsse, wie hoch die Durchfallquote sei, wie unendlich wichtig ein „Prädikatsexamen“ sei und so weiter. Daraus kann leicht der Eindruck entstehen: „Das schaffe ich nie!“ Falsch! ➞ Jura ist keineswegs ein Studium nur für intellektuelle Überflieger, sondern lässt jedem Abiturienten eine Chance. Man muss sich allerdings um das Brückenwissen bemühen. Abiturienten, die mit „Hurra!“ die juristische Ausbildung in Angriff nehmen wollen, sind zwar Wesen, die durch das Abitur akademisch geboren sind, aber noch zur juristischen Welt kommen müssen. Unvorbereitet zu sein vor dem ersten Schritt in das Studium der Rechtswissenschaft, ist eines ihrer wesentlichsten Gattungsmerkmale. Sie sind juristische „Frühchen“.
Viele, die frisch nach dem Abitur in die juristische Ausbildung gehen, haben das Gefühl von Frust, Alleingelassensein, Enttäuschung, Nicht-mehr-weiter-Wissen – ja: Verzweiflung. Der Übergang vom Schüler zum Jurastudenten ist nicht einfach ein bloßes Hinübergleiten. Es handelt sich um etwas ganz Großes an der Schnittstelle zweier Lebensphasen: das zuversichtliche Hineingehen ins eigene Studium: Vom Abiturienten zum Jurastudenten!
- Sie betreten den offenen Raum des Jurastudiums und müssen sich darin einquartieren. Sie müssen sich dabei in eine Ihnen noch weitgehend unbekannte studentische Existenz neu eingewöhnen. Sie müssen lernen, akademisch selbst zu gehen. Der Schutz der Lehrer und Eltern, der zwischen Ihnen und der äußeren Welt stand, fällt langsam weg. Die Stöße der feindlichen Welt müssen Sie ab jetzt sämtlich selbst auffangen.
- Die neue Jura-Welt ist Ihnen fremd. Ihre immer wiederkehrenden Fragen: „Was ist das für ein Gesetz?“ „Was ist das für ein Fall?“ „Wie bringe ich die beiden in Einklang?“ sind die Fragen Ihres Fremdseins. Sie sollten behutsam aus Ihrer schulischen Anschauungswelt durch befähigte, Jura spendende Instanzen in das neue Fremde geführt werden.
- Sie haben längst entdeckt, wie Sie sich als Individuum von den anderen unterscheiden. Die Verletzlichkeit Ihres jungen Selbstgefühls, die übersteigernde Selbstbetonung, das Misstrauen gegen das, was andere sagen, bloß weil es andere sind, haben Sie längst abgelegt. Noch nicht entdeckt haben Sie, als die neue Person „Student“ in studentischer Freiheit und Selbstverantwortung dazustehen und ein eigenes Urteil über Ihre neue Welt und Ihren eigenen Stand in ihr zu gewinnen. Sie werden diesen festen Stand bald finden, indem Sie beginnen, in Ihrer neuen Jurawelt Ihr studentisches Werk zu tun.
- Sie dürfen nicht der Gefahr unterliegen zu meinen, nur für Sie sei die studentische Welt unendlich offen, nur Ihre junge Vitalität sei unbegrenzt, das Leben werde nur Ihnen Großes spenden und nur Sie würden Außerordentliches darin leisten. Manchmal fehlt Ihnen noch die Kenntnis der Zusammenhänge, der Maßstab für das, was man selbst kann, aber auch der für das, was andere können. Es fehlt das Wissen von der ungeheuren Zähigkeit der Trägheit des Studenten und vom Widerstand, den die Trägheit dem Willen zum Studium entgegensetzt. Sie werden bald entdeckt haben, wie man der Gefahr widersteht, sich zu überschätzen, sich zu täuschen, seinen Willen zum Studium mit der Kraft seiner Durchsetzung zu verwechseln.
- Sie werden schnell begreifen, dass Ihre neue Lebensphase bestimmt wird durch eine ganz neue Wertmitte, eine alles beherrschende Dominante. Diese Dominante ist das disziplinierte, organisierte und planmäßige Lernen. Das Wort „Lernen“ ist schnell gesagt, aber sehr reich an Inhalt. In gewisser Weise bedeutet es Ihre ganze studentische Betätigung. Das Problem des richtigen Einstiegs in die neue Jura-Welt ist eigentlich zunächst ein Problem Ihrer Juravermittler. Studium aber bedeutet, dass es immer mehr zu Ihrem Problem wird. Der Dozent ist nur am Anfang der Sachwalter Ihres studentischen Anliegens, er kann Ihnen das Studieren nicht abnehmen. Sie werden Ihr juristisches Lernen sehr bald selbst in die Hand nehmen müssen. (➞ Lernen des juristischen Lernens)
- Auf den Anfang (➞ Studienbeginn) kommt es an. Der richtige Beginn des Studiums ist das Wichtigste. Er wird nie mehr wiederkehren! Sie werden im Anfang für Ihr ganzes juristisches Leben geprägt. Wird diese „Good-morning-Jura-Phase“ nicht voll von Ihnen genutzt, dann fehlt der Ertrag im Späteren.
- Eine der Schwierigkeiten des Übergangs besteht in Ihrer inneren Unsicherheit, im Wissen und Doch-nicht-Wissen, im Können und Doch-nicht-Können. Der Übergang wird dann vollzogen sein, wenn Sie die nötige Erfahrung gesammelt haben, um mit Inhalten, Kompetenz und Zuverlässigkeit juristisch zu denken und methodisch zu urteilen, Ihr Lernen zu planen und emanzipiert zu studieren. Dieser Übergang kann gelingen, aber auch misslingen. Ihr Schritt von der Schule zur Hochschule ist erst dann gelungen, wenn Sie eigene Erfahrungen in der neuen Welt gemacht und diese auch angenommen haben. Wenn Sie den realen Kontakt zum juristischen Studium gefunden und es zum richtigen „Geduldlernen“ gebracht haben.
- Zu Ihrem rechten studentischen Wesensbild gehört der passionierte Elan des aufsteigenden Studiums. Die psychologische Wirkung dieses Elans, dieser Vitalität, ist das Gefühl unendlicher Möglichkeiten, das Vertrauen in das, was Sie sein werden und leisten und was das Leben Ihnen schenken mag.
- Dann aber tritt die jura-studentische Wirklichkeit allmählich ins Bewusstsein, vor allem dadurch, dass auch Misserfolge eintreten. Sie entdecken die elementare, aber nicht wahrgenommene Tatsache, dass die anderen Studenten ebenfalls ihr Können und ihre Fähigkeiten haben, dass sie ebenfalls vorstoßen in neue Räume und nicht bereit sind, sich von Ihnen übertrumpfen zu lassen. Sie entdecken, wie kompliziert die neue Jura-Welt ist, wie wenig Sie mit Ihrem Schulwissen durchkommen, es vielmehr häufig heißt: kenne ich nicht, weiß ich nicht, verstehe ich nicht; einerseits – andererseits; sowohl – als auch; jeder Fall ist anders. Sie erfahren, was die Vorbedingung für alles ist, was Jura-Studium heißt: Geduldiges Lernen und lernende Geduld.
Jeder Abiturient hat das Zeug, ein guter ➞ Jurist zu werden. Es fallen weit mehr Studenten einem schleichenden Niedergang der Sekundärtugenden Fleiß und Disziplin bis hin zum Scheitern zum Opfer als einer Minderbegabung für Jura. Dabei handelt es sich meist um Studenten, die zu lang am althergebrachten, disziplinlosen Schul- und Studienschlendrian festhalten. Sie werden gleich einem steuerlosen Schiff – anfangs langsam, später immer schneller – vom Sog des Wasserfalls angezogen. Der Sturz über das Kliff ist das Ende einer semesterlangen Resistenz gegen die „guten Gründe des ➞ Scheiterns“. Wenn der Student sich der Klippe dann bedrohlich nähert, ist es bereits zu spät. Der allererste Schritt fängt allerdings bei jedem Studenten selbst an: Er sollte möglichst schnell den Entschluss fassen, von Anfang an etwas für seine juristisch-methodische Ausbildung zu tun.
Dazu muss er seinen Gesichtskreis anfangs möglichst eng halten, innerhalb dessen sich jedoch die Grundstrukturen, Grundbegriffe und Grundmethoden deutlich und prägend beibringen. Erst wenn nichts Halbverstandenes oder Schiefverstandenes mehr vorhanden ist, darf er den Gesichtskreis allmählich erweitern, stets dafür sorgend, dass alles darin Gelegene richtig verstanden und erkannt ist. Infolge dessen sind zwar die juristischen Stoffmengen beschränkt, dafür die Begriffe von Recht und Gesetz, die ➞ Methoden und Strukturen, die richtigen Strategien zum ➞ Lernen des juristischen Lernens, und die ehernen Grundgesetze unserer Wissenschaft in Form von ➞ Gutachten und ➞ Subsumtion aber deutlich und fest verankert, so dass sie nach dem ersten Semester stets nur der Erweiterung, nicht aber ständiger Berichtigung bedürften.
Und nunmehr die sechs Hauptfehler im Jurastudium, die Sie für einen gelungenen Anfang als Jurastudent unbedingt vermeiden müssen.
- Der Student fängt zu spät mit dem disziplinierten „Studieren“ an. Der Berg baut sich auf. Der Studienbeginn muss vorverlagert werden auf den ersten Tag des ersten Semesters. Der Berg darf sich gar nicht erst aufbauen.
- Der Student begreift sich selbst nicht als verantwortlich für seine Lernerfolge. „Irgendwann werde ich es schon packen, dafür sind die Professoren doch da!“ Nein, Sie sind auch dafür da! Schuld sind nicht immer die Anderen.
- Der Student erkennt – wenn überhaupt – zu spät die Kernbereiche und das für das Examen Ausbildungsbedeutsame, verliert sich in den Weiten des Nebensächlichen und hält sich für dumm.
- Der Student beherrscht nicht das Lernen des juristischen Lernens. Das wäre aber angesichts der unfassbaren Stoffmengen besonders wichtig. Ohne das gelernte Lernen „säuft“ er ab.
- Dem Studenten fällt die Wissensübertragung auf unbekannte Fälle schwer. Er beherrscht nicht den Blick für den Transfer von abstraktem Wissen auf den konkreten Fall.
- Der Student unterschätzt die alles ent-„scheidende“ Bedeutung der Sekundärtugenden von Fleiß und Disziplin und glaubt zu lange, mit schulischen Lerngewohnheiten durchzukommen.
Jura studieren (lat.: studere, eifrig betreiben) heißt, die Fähigkeit zu erlernen, im ➞ Privatrecht, ➞ Strafrecht und ➞ Öffentlichen Recht rechtmäßiges Tun oder Nichttun von rechtswidrigem Tun oder Nichttun zu scheiden. (➞ Rechtsgebiete im Grundstudium) “Ich studiere Jura“ heißt also, ich erlerne die Kunstfertigkeit, strafbar oder nicht strafbar, anspruchsbejahend oder anspruchsverneinend, verwaltungsgemäß oder verwaltungswidrig unterscheiden zu können.
An welche neuen Lernspielregeln sollte man sich für das Jurastudium unbedingt halten?
Ein kluger Italiener (Pareto mit Namen) hat vor ca. 150 Jahren die ökonomische 20:80-Regel aufgestellt. Sie besagt zweierlei:
- Positiv: 20 % des Aufwandeinsatzes für eine Sache reichen schon für 80 % des Weges zum vorgenommenen Ziel.
- Negativ: Um die restlichen 20 % des Weges zum vorgenommenen Ziel noch zu erreichen, muss man 80 % des Aufwandes einsetzen. (Daraus folgt die Volksweisheit: Das Ende trägt die Last.)
Also ran an die Lernspielregeln zum „Juristischen Lernen“. Mit den ersten 20 % fangen wir jetzt an, um den Rest kümmern Sie sich später.
Spielregel Nr. 1 lautet: Sie müssen Ihr schulisches Lernen ändern!
„Juristisches Lernen“ muss jurafachgerecht, aber auch persönlichkeitskonform erfolgen. Es muss also an die spezifischen Besonderheiten des gesetzlichen Lernstoffes und seine methodischen Anwendungen ebenso angepasst sein wie an die Formen der juristischen Prüfungen in konkreten Klausuren und Hausarbeiten, aber ebenso an Ihren individuellen Lerntyp. Sie müssen sich und Ihr Lernverhalten nach Ihrer Schulzeit neu justieren! Es ist für einen Jurastudenten eine Frage der reinen Lernökonomie, sich möglichst schnell differenzierte und juristisch spezifische Lernfähigkeiten und -techniken zuzulegen, um sich in knapper Zeit durch möglichst viel Stoff hindurchzuarbeiten. Die Effizierung, d.h. die Verbesserung Ihrer Wirkkraft, und die Ökonomisierung, d.h. die rationelle Verwendung Ihrer Kräfte, müssen die Wegmarken für dieses „Survival-Training“ setzen. Das richtige Lernen ist das Ziel beim Lernen des juristischen Lernens. Leider hat das Gehirn keine Löschtaste. Eine möglicherweise schlechte Verhaltensweise aus der Schule werden Sie nur wieder los, wenn Sie sie im Gedächtnis mit einer neuen, besseren überschreiben. In der Schule genügte es häufig, einen Tag vor einer Klausur punktuell zu lernen. Ein solches Lernen reicht in der Hochschule nicht mehr aus. Hier baut alles linear aufeinander auf. Und dann alles auf einmal im Examen: ohne Abschichtungen oder Abwahlmöglichkeiten. Vom ersten Semester an ist man in der Examensvorbereitung. Sie sind als Examenskandidat das, was Sie aus der juristischen Literatur gelernt haben und wem Sie in der juristischen Lehre vertraut haben! Also schauen Sie genau hin, bei wem Sie was hören und von wem Sie was lesen! Ändern Sie Ihr Lernen, indem Sie speziell die für den Erwerb juristischen Wissens erwünschten Lern-Verhaltensweisen stiften, alte Schul-Lern-Verhaltensweisen für das juristische Lernen verbessern (schülerhafter Lernstil ist unreifer akademischer Lernstil) und falsche, unerwünschte Lern-Gewohnheiten, die dem juristischen Lernen im Weg stehen könnten, abbauen.
Spielregel Nr. 2 lautet: Sie müssen Illusionen aufgeben!
Wer eine Illusion verliert, gewinnt immer eine Wahrheit hinzu. Die Illusion lautet: „Herrliches Studentenleben!“ Die Wahrheit ist: „Ohne diszipliniertes Lernen geht es nicht!“ Fragen Sie mal einige Studenten, die schon vor Ihnen das Jurastudium ergriffen haben. Wie sah es bei vielen nach dem ersten Semester aus? – Noch immer die Scheu vor den Vorlesungen? – Noch immer die Selbstzweifel? – Noch immer das nagende Gefühl, nicht genug getan zu haben? – Noch immer viel zu lange Nächte? – Noch immer keine Ahnung vom Gesetz und den Falllösungsmethoden? – Noch immer kein klares Tageslernkonzept, keinen Lernrhytmus entwickelt? – Wieder nicht in der Vorlesung gewesen oder doch dagewesen, aber wieder nichts verstanden? – Wieder alles auf nächste Woche verschoben (zum wievielten Male eigentlich?). Das ist nicht selten die Rückschau auf das letzte Semester. Da wird die akademische Lehr- und Lernfreiheit zum Alptraum. Diese Studenten haben nicht kapiert, dass das Studium zwar keine „Ausbildungsstelle“ ist und sie keine „Azubis“ sind, studentische Freiheit aber nicht die Freiheit von Arbeit bedeutet. Die Uni ist ein Ort der Selbstorganisation. Die Illusion des ewigen „vivat, crescat, floreat“ hat keine Zukunft, es sei denn, man wollte scheitern und damit seine Zukunft aufs Spiel setzen – dann natürlich. Auch mit „Gerechtigkeitsspinnerei in der Stammkneipe“, „gemütlicher Lehrbuchlektüre am Abend im Bett“, „Studentenleben á la 19. Jahrhundert“, „Träumereien vom Richterberuf“ ist es nicht getan.
Spielregel Nr. 3 lautet: Sie müssen das juristische Lernen lernen!
Keiner kommt um das juristische Lernen herum! Sie müssen als Jurist ein Leben lang lernen. Dem Gesetzgeber sei Dank, der ständig neue Gesetze produziert! Der Rechtsprechung sei Dank, die Tag für Tag Tausende von Urteilen fällt! Der Lehre sei Dank, die es immer neu und vielfältig im Blätterwald rauschen lässt! Mit dem Lernen von juristischem Fachwissen müssen Sie gleichzeitig das „Lernen lernen“. Sie müssen Ihren „Lerntyp“ analysieren und Ihre eigene „Lernorganisation (-strategie)“ entwerfen. Niemand kann Ihnen diese ureigenen Entscheidungen zum Lernen abnehmen! Sie werden im Folgenden bald entdecken, dass das „Lernen des juristischen Wissens“, d.h. die Anhäufung juristischer Erkenntnisse und Fertigkeiten, eine Grundlage hat: das „Lernen des juristischen Lernens“.
Sie tragen für diesen originären Prozess, der sich durch Ihr ganzes Studium zieht, die alleinige Verantwortung. Das juristische Lernen setzt sich aus drei Phasen zusammen:
- Die Aneignungsphase: Das ist die Begegnung mit Jura. – Also: der Erwerb von juristischem Wissen, das Neulernen – Was muss von Jura, wie strukturiert ins Gedächtnis? – Wie kommt Jura ins Gedächtnis?
– Der Verstand kann in der Klausur nur geben, was er vorher empfangen hat. –
- Die Behaltensphase: Das ist das Speichern des juristisch Erlernten. – Also: das Bewahren, das Aufheben, das Nichtvergessen – Wie bleibt Jura im Gedächtnis?
– Der Verstand kann in der Klausur nur geben, was er behalten hat, erinnern und abrufen kann. –
- Die Reproduktionsphase: Das ist das Offenkundigmachen des juristisch Gelernten – Also: die Lernpotentiale bei gegebenem Anlass – z.B. in der Klausur – passgenau und formgenau einsetzen zu können – Wie kommt Jura, gutachtlich in Form gebracht, vom Gedächtnis zum Fall?
– Der Verstand kann in der Klausur nur geben, was er in die Präsentationsformen umsetzen kann. –
Der Mehrwert dieses dreiphasigen Lernprozesses ist ein Mehrwert an juristischem Wissen und Können. Der entscheidende Punkt für Sie wird sein, diese Phasen für sich zu optimieren. Nur dann „werden“ Sie nicht mehr Jura studiert, dann studieren Sie Jura! Und scheitern? – Das tun nur die anderen! Kein Professor der Welt und kein noch so gutes Lehrbuch können Ihnen die streichelnde Parole ausgeben: „Komm, hör oder lies mich – ich lehre dich schon! Vertraue mir!“, ohne sich dem Vorwurf der Scharlatanerie auszusetzen. Die Wissensvermittlung durch Ihre juristischen Lehrmedien setzt nur den Reiz zum Lernen. Was Sie aus diesem Reiz machen, bestimmen nur Sie selbst! Alle Medien können Sie dabei unterstützen, aber sie können diese – Ihre originäre juristische Lernleistungen – nicht erzwingen. Sie müssen sie lernen!
Spielregel Nr. 4 lautet: Sie müssen Ihre Sekundärtugenden aufbauen!
Einige Studenten neigen leider dazu, Fehler möglichst zwei- oder dreimal zu machen, damit man sie auch sicher beherrscht, indem sie die Sekundärtugenden des Fleißes, der Selbstdisziplin und der Leistungsbereitschaft, die den größten Einfluss auf ihre juristische Lernleistung haben, am Anfang immer wieder als Kinkerlitzchen zur Seite wischen.
Die heutige Studentengeneration lässt sich aber nicht mehr disziplinieren? Dann muss ich Sie eben jetzt gleich davon überzeugen, dass Sie keine Arroganz gegenüber den überlebensnotwendigen Sekundärtugenden Ordnung, Fleiß und vor allem Disziplin entwickeln. Viele wissen nicht, dass diese Sekundärtugendresistenz noch verheerendere Folgen hat als fehlende Intelligenz. Sekundärtugendgesteuerte Studenten sind erfolgreicher als die nur intelligenzgesteuerten. Sich ausschließlich auf seine Intelligenz zu verlassen, ist der verlässlichste Ausgangspunkt des Scheiterns in der Juristerei. Es gibt keine seriöse Untersuchung, die das Gegenteil belegt. „Intelligenz“ ist überwiegend angeboren? Unabänderbar? Nicht individuell formbar? – Zweifelhaft! Jedenfalls sind aber Ihr Fleiß und Ihr auf Ordnung bedachtes Lern-Verhalten und damit Ihre Disziplin form- und änderbar! „Wer Selbstdisziplin hat, lernt viel!“ Stimmt! Aber es stimmt genauso: „Wer lernt, bekommt Selbstdisziplin!“ Das größte Talent für Jura sitzt im Hosenboden (Goethe)! Ohne Selbstdisziplin und Selbstinstruktion, Fleiß und Geduld geht nichts im Jurastudium. Nur mit den „alten“ Sekundärtugenden wird die Juristerei die wunderbarste Enttäuschung negativer Erwartungen.
Spielregel Nr. 5 lautet: Sie müssen Ihr Zeitmanagement selbst bestimmen!
„Wo ist bloß die Zeit geblieben?“ – Ihre Studienzeit verrinnt unwiederbringlich. Optimales Lernen gelingt nur im optimalen Umgang mit Ihrer Zeit. Die Menge Ihrer investierten Studier-Zeit und Studier-Energie muss in einer bestmöglichen Relation zum erzielten Studien-Erfolg stehen. Beherrschen Sie Ihre Studienzeit, statt von ihr beherrscht zu werden. Das ist keine Preisgabe Ihrer Freiheit, sondern Teil Ihres effektiven Selfmanagements. Sie müssen dafür sorgen, Ihr Studentenleben nach Ihren Plänen entsprechend Ihren Lebensverhältnissen, Ihren Anforderungen an sich, Ihren Finanzen, Ihren Hobbys und Ihren Energieressourcen zu gestalten. Ein Zeitmanagement erzeugt keinen Stress, sondern verhindert einen solchen gerade. Im Übrigen gehört es heute als Schlüsselqualifikation zu jedem Juristen. Sie erwerben diese Zeitmanagementkompetenz, indem Sie Zeiterfassungsbögen ganz individuell nur für sich erstellen. Sie werden sich wundern, welche Zeitfresser Ihnen da so die Studienzeit stehlen. Die Gründe sind immer dieselben: Man kann entweder nicht „Nein!“ sagen, man hat keine strategischen Pläne oder man hat keine Disziplin. Die größten Zeitfresser sind übrigens vorbeirauschende Vorlesungen, unverstanden gebliebene Lehrbücher und … Scheinaktivitäten, hinter denen sich oft unzureichende Qualifikationen für das Lernen verstecken. Unverständliche Vorlesungen abzusitzen, die nichts bringen, außer dem Scheingefühl, etwas getan zu haben, 30 Lehrbuchseiten, die nicht über den Arbeitsspeicher im Gehirn hinauskommen, aber das falsche Gefühl geben, gelernt zu haben, sind kein effektiver Umgang mit Ihrer Zeit.
Spielregel Nr. 6 lautet: Sie müssen sich schnell 5 wichtige soziale Kompetenzen aneignen:
- Stress- und Frustrationstoleranz – Sie sollten lernen, die mit dem Jurastudium notwendig verbundenen Belastungen in den Vorlesungen und Leistungskontrollen, besonders im Examen auszuhalten. Dazu zählen Techniken des „Stressmanagements“ und der „Selbstberuhigung“, mit den Aufregungen umzugehen und vor und in den Klausuren einen kühlen Kopf und während der Hausarbeiten eine ruhige Hand zu bewahren.
- Motivation – Sie sollten lernen, das Jurastudium als Herausforderung zu verstehen und einen starken Leistungswillen zu entwickeln, lernen, wie man das „große“ Studium in „kleine“, besser zu bewältigende Etappen zerlegt, lernen, wie man das Vertrauen in die eigenen Kräfte stärkt, wie man trotz Niederlagen langfristig ziel- und leistungsorientiert bleibt.
- Emotionen – Sie sollten lernen, mit Ihrer Emotionsregulation, also dem Umgang mit Wut, Ärger, Neid, Ehrgeiz besser umzugehen, affektierte Impulse zu kontrollieren, nicht überzureagieren, sich nicht provozieren zu lassen durch schroffe Texte unter Ihren Klausuren oder durch Nicht- oder Missachtung in den Vorlesungen, lernen, zu großen Ehrgeiz zu zügeln, lernen, Geduld und Toleranz auszubilden, zurückzustecken und auch einmal nachzugeben.
- Realitätssinn – Sie sollten lernen, Risiken für Ihr Jurastudium zu erkennen und die eigenen Fähigkeiten und Veranlagungen richtig einschätzen zu können, sich nicht zu hohe, aber auch nicht zu tiefe Ziele zu setzen, lernen, Selbstkritik und Fremdkritik zu entwickeln.
- Arbeitsmoral – Sie sollten offensiv mit der Tatsache umgehen: Jura ist arbeitsintensiv und das Lernen ist alternativlos.
Man könnte erwarten, dass sich bei den Studenten von Beginn an die Wohltaten der Zeit-Disziplin durchsetzten und ist immer wieder erstaunt, dass der Student zu Studienbeginn einen fast natürlichen Hang zur Nachlässigkeit, Zeitvergeudung und Unregelmäßigkeit an den leider meist unverfassten Studentenalltag legt und sich erst mühsam an zeitliche Ordnung gewöhnt. – Arbeitspläne machen? – Aufgaben ordnen? – Analysieren, strukturieren, priorisieren? – Pufferzonen? – Arbeitsstunden eintragen? – Studienrhythmus konditionieren? – Studienhaushaltsbücher anlegen? – Wie bitte? – Genau so! Die disziplinierte zeitliche Ordnung entscheidet durch eine einmalige zeitliche Einrichtung (Studientag/Studienwoche/Semester), wann Jura gelernt wird. Sie schafft eine Art Wiederholungszwang und ermöglicht dem Studenten die beste Ausnutzung seiner Zeit, während sie seine psychischen Kräfte schont, indem sie ihm in jedem gleichen Falle Zögern, Schwanken und Zweifel erspart. – Besonders gefährdet sind hier gerade Studenten des Anfangs, weil ihnen ihr Studium grundsätzlich viele Freiheiten lässt. Das ist das Spiel „Die Schöne und das Biest“. Die „Schöne“ ist die akademische Freiheit, das „Biest“ ist das ständig schlechte Gewissen während der aufschiebenden Tätigkeit, denn „eigentlich müsste ich ja noch …“ Der symptomatische Teufelskreis beginnt:
- Die Wochen- und Tagespläne trudeln.
- Die Selbstachtung sinkt, weil man ständig gegen die eigenen Lern-Vorsätze verstößt.
- Der Stoff türmt sich zu steilen Bergen.
- Das alles lässt die Lerninhalte als noch höhere Klippen erscheinen.
- Der Berg ist unüberwindbar geworden!
Akademische studentische Freiheit setzt immer voraus, dass man zur Freiheit fähig ist. Nutzen Sie Ihre Freiheit und entscheiden Sie sich möglichst schnell für ein verfasstes und diszipliniertes Zeitmanagement! Keine „Aufschieberitis“! Gegen „Aufschieberitis“ hilft ausschließlich: Impulskontrolle, Disziplin und Pünktlichkeit beim Einhalten Ihrer Zeitpläne. Das Gefühl, in der Zeit zu sein, bildet die mächtigste Barriere gegen Aufschiebetendenzen. Und dieses Gefühl wird gespeist von der Medizin der Wochen- und Arbeitstagstruktur (s. 2.5). Statt mit viel Mühe nichts zu schaffen, sollten Sie schnell den Umgang mit der Zeit beim Lernen lernen. Anders geht es leider nicht! Beruhigungsstrategien helfen nicht weiter. Sie trösten zwar Ihr Ego, bringen Sie aber keinen Zentimeter bergauf.
Das Jurastudium beginnt mit dem Beginn vor dem Beginn.
Sie sollten sich zuerst über das Jurastudium umfassend informieren, um Enttäuschungen und Umwege zu vermeiden. Dabei benötigen Sie Helfer, da – wie gesagt – Jura nicht auf dem Lehrplan Ihres Gymnasiums gestanden hat. Suchen Sie Gespräche! Ein erster Schritt besteht in der Beratung, damit der Wechsel von der Schule zur Hochschule sorgfältig vorgeplant wird. Man muss sorgfältig recherchieren! Reduzieren Sie die Gefahren einer Fehleinschätzung und Fehlentscheidung auf ein Minimum. Von einer Massenuniversität enttäuscht zu sein, ist keine Schande. Wichtig bei Ihren Überlegungen ist die informatorische Präparation! Ohne entspre-chende Erkundigungen kann es passieren, dass Sie zwischen den Stühlen sitzen. Gute Tipps ersparen viel Frust. Sie müssen sich Informationen der Fakultäten aus dem Internet besorgen, welche die wichtigsten Infos und Termine zum Studienanfang enthalten (Anmeldefristen, Belegungshinweise, Zulassungsvoraussetzung). Irgendwann werden Sie immatrikuliert. Dann müssen Sie sich Ihre Lehrveranstaltungen zusammenstellen (Studienbuch). Wichtig ist auch im Vorfeld des Studiums, schon einmal an der Universität ältere Semester anzusprechen. Auch sind Sie gezwungen, eine Menge Einführungsveranstaltungen zu besuchen. Besser man sammelt zu viele Infos als zu wenige. Ratsam ist es, sich so früh wie möglich zu informieren, am besten weit vor dem Abi. Wer sich erst nach dem Abi kümmert, bezahlt dies meist mit unnötigem Druck und Stress. Auch Eltern und Freunde können Ihnen im Anfang positive Rückmeldungen zu Ihren Talenten geben und Ihnen helfen, Ihre Stärken und Schwächen zu erkennen (➞ Eignung zum Jurastudium). Sie können Ihnen in diesen Zeiten der Suche und Verunsicherung als wertvolle Reflexionspartner den Rücken stärken. Allerdings sollte niemand Ihnen die Arbeit abnehmen oder Ihnen den eigenen, elterlichen Willen aufzwingen!
➞ Jura ist eine faszinierende Wissenschaft. Die Kunstfertigkeit des Juristen besteht darin, die unzähligen denkbaren und undenkbaren rechtlich relevanten Situationen (der Jurist nennt sie Lebenssachverhalte, Geschichten, gebildet aus Tun oder Nichttun) mit der großen, aber überschaubaren Zahl von ➞ Gesetzen aus Privatrecht, Strafrecht oder öffentlichem Recht unter Zuhilfenahme einer Handvoll juristischer ➞ Methoden (juristische Arbeitstechnik oder juristisches Handwerkszeug) in Einklang zu bringen.
Hört sich gar nicht so schwer an? Ist es aber! Denn dazu muss man
- erstens die Gesetze in Entstehung, Inhalt und Aufbau kennen (Wissen haben),
- zweitens mit ihnen umzugehen wissen,
- drittens die notwendigen ➞ Methoden beherrschen lernen, mit denen man die „Fälle“
- mit den „Gesetzen“ zur Deckung bringen kann (➞ Gutachten ➞ Subsumtion) und
- viertens Verständnis für die systematischen Zusammenhänge entwickeln.
Dies alles wird das Einsatzgebiet des ➞ Jurastudenten für die nächsten Jahre sein. Zum Trost: Man wächst in das ➞ Jurastudium ganz allmählich hinein, wenn man es vom Anfang an ernst nimmt.
Um Jura zu studieren, muss man:
- eine juristische Hochschule besuchen,
- durch geistige Arbeit juristisches Wissen auf einem bestimmte Gebiet (StGB, BGB, GG) aufnehmen und geistig verarbeiten und
- juristische Professoren und ihre Lehrbücher eingehend „beobachten“, sich mit ihren Inhalten aus Wort und Schrift gründlich beschäftigen und sich damit wissenschaftlich auseinandersetzen.
Probleme mit den Gesetzen entstehen immer dann, wenn einzelne Menschen oder Zusammenschlüsse von Menschen sich eigensüchtig nicht an die Gesetze halten, wenn jemand die Gültigkeit eines Gesetzes bestreitet oder Streit darüber entsteht, wie ein abstraktes Gesetz in einem konkreten Fall zu interpretieren ist (der Jurist nennt das „auslegen“).
All das müssen Sie ab jetzt tun! Dann werden Sie juristischen Studienerfolg haben.
Ein solcher Erfolg beruht auf drei Säulen:
Säule 1: Auf den Grundlagen:
- Fakten: Gesetzeskunde, juristischer Lernstoff, Paragraphen kennen
- Kompetenzen: Beherrschung der Methoden, Paragraphen zu finden, auszulegen und auf Sachverhalte anzuwenden
- Systemverständnis: Instinkte für Zusammenhänge zwischen Fakten und Kompetenzen
Säule 2: Auf den Eigenschaften:
- Intelligenz
- Disziplin
- Motivationsbereitschaft
- Fleiß
Säule 3: Auf den Lernregeln:
- Lernen braucht Zeit (je länger und je intensiver, desto besser).
- Lernen braucht Training am Fall. (Erst am Normalfall, dann erst am Exoten)
- Lernen braucht Netzverknüpfungen (je mehr Netzverknüpfungen, desto leichter speicherbar).
Lernen braucht die Feed-back-Schleife:
wiederholen, üben, sich selbst überprüfen, besser werden (➞ Studienaufbruch).