Wer als junger Jurastudent versuchen muss, Lebenssachverhalte in Form juristischer Fälle, also juristisches Konfliktpotential, mit Gesetzen in seinen ersten Klausuren, Hausarbeiten und Referaten zusammenzubringen, muss das tun, was alle tun, die in juristischen Leistungsnachweisen Erfolg haben wollen: Es gilt, sich ganz schnell mit der Technik und Taktik des Klausuren- und Hausarbeitenschreibens sowie des Referatehaltens vertraut zu machen.
Seine schönsten und freiesten juristischen Gedanken muss man den Beschränkungen einer Form und einer Struktur unterwerfen. Die staunenswerte Fähigkeit des Juristen, aus einer endlichen Zahl von Gesetzen mit Hilfe einer Hand voll „Methoden“ eine unendliche Zahl von Fällen lösen zu können, wird dem Jurastudenten in einer Klausur von Anfang an ebenso abverlangt wie in einer Hausarbeit oder einem Referat. Leider hat ihm niemand das handwerkliche „Wie-mach-ich-das-eigentlich“ näher erklärt.
Passen Sie auf: Vier Affen wurden in einen Raum gebracht. In der Mitte stand ein Pfahl, an dessen Spitze ein Bündel Bananen hing. Doch kaum kletterte ein Affe hoch, erhielt er von oben eine kalte Dusche. Ein Affe nach dem anderen versuchte sein Glück, einer nach dem anderen ließ nach der kalten Dusche erschreckt und durchnässt von den Bananen ab. Nun wurde ein Affe ausgetauscht. Kaum kletterte der Neue auf den Pfahl, zogen ihn seine Artgenossen zurück. Am Ende des Experiments waren vollkommen andere Affen in dem Raum, die Dusche war längst abgebaut – doch keiner wagte sich den Pfahl hinauf.
Sind Studenten Affen? – Natürlich nicht! Aber mit den Klausuren, Hausarbeiten und Referaten verhält es sich ähnlich, wie mit den Bananen: Genaues weiß man nicht, doch jeder hat eine Heidenangst vor „kalten Duschen“! Diese Angst will ich Ihnen nehmen! Es gibt im Leben nämlich mehr Dinge, die uns nur vermeintlich schrecken, als solche, die uns wirklich hart zusetzen. Und öfter leidet der Mensch unter einer Einbildung mehr als unter einer Tatsache selbst: dazu zählen auch die juristische Klausur, Hausarbeit sowie das Referat. Ist wirklich etwas so Arges an diesen juristischen Leistungsnachweisen oder sind sie mehr verrufen als schlimm?
Wenn, wie Graham Greene einmal scharfsinnig bemerkt hat, Erfahrung die Summe der gemachten Fehler ist, dann müssen Sie sehr früh im Studium lernen, sich solche negative „Erfahrung“ für Ihre juristischen Leistungskontrollen zu ersparen und eine Menge positive Erfahrung sammeln. Es gilt aber auch die Kant’sche Lebensweisheit: „Der vernünftige Gebrauch der Erfahrung hat seine Grenzen. Diese kann zwar lehren, dass etwas so oder so beschaffen ist, niemals aber, dass es gar nicht anders sein könne“.
Die ersten Leistungsnachweise im juristischen Studium muss man als Student zwar ernst nehmen, aber eben nicht verkrampft und verbissen. Ein erster Misserfolg kann dem jungen Jurabeginner nach dem Abitur den gesamten Wind aus den meist weit aufgeblähten Segeln nehmen, wie umgekehrt eine gelungene erste Klausur oder Hausarbeit, ein zündendes Referat einen gewaltigen Rückenwind für die weitere Fahrt durch die juristische Ausbildung verschaffen können. Deshalb heißt es, sich möglichst schnell mit einem solchen Ratgeber vertraut zu machen. Manchmal kann man sich als Jurabeginner des Eindrucks nicht erwehren, dass man in den Hochschulen unter dem abgeblendeten Bewusstsein der Rechtsdidaktik – der Wissenschaft vom Lehren und Lernen – gerade in den Anfängerarbeiten nach dem Motto von 1. Mose, Genesis 3, 7 verfährt: „Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie sahen, dass sie nackt waren.“ Auch in der juristischen Ausbildung wird man begreifen müssen, dass Abschreckung kein sinnvolles didaktisches Mittel ist. Dantes Satz über dem Eingang zur Hölle „Ihr, die Ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“ taugt nicht als Motto über den juristischen Klausurensälen und Seminarräumen.
Das Anfertigen juristischer Leistungsnachweise kann und muss man allerdings lernen. Ihr Erfolg ist planbar! Der Beckenbauerische Spruch: „Geht’s raus und spuilts Fußball!“ klappt bei juristischen Leistungsnachweisen nicht. Nur die Freude am Spiel auf der wissenschaftlichen grünen Wiese bringt es nicht, man muss schon mitspielen können beim wissenschaftlichen Arbeiten.
Wissenschaftliches Arbeiten? – Was ist sein Anliegen?
Bei den Inhalten der Leistungskontrollen haben Sie es im Anfang noch vorwiegend mit der Rechtswissenschaft im engeren Sinn zu tun, was jedoch keineswegs so bleiben muss; auch rechtshistorische, rechtsphilosophische oder rechtsvergleichende (Europa!) Themen könnte man sich für die Zukunft durchaus vorstellen. Die juristische Ausbildung ist zur Zeit noch zu stark fallzentriert und zu wenig an thematischen Arbeiten interessiert.
Bei wissenschaftlichen Arbeiten muss man nun, etwas flapsig formuliert, aus einem Zentner wissenschaftlichen Papiers ein wissenschaftliches Klausuren-, Hausarbeits- oder Referatswerk von 100 g erstellen. Zu all dem bedarf es für Sie eines verlässlichen Instrumentariums, eines Wegbereiters. Das Studium an einer Hochschule soll dem Studierenden nicht nur die für die Berufsfertigkeit eines Juristerei Betreibenden erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse des Rechts vermitteln, sondern auch die Methoden erschließen, das Recht wissenschaftlich zu erfassen und wissenschaftlich zu arbeiten.
- Ein Zweck des wissenschaftlichen Arbeitens ist für einen Jurastudenten die Erarbeitung und die Wiedergabe von juristischem Wissen. Die Wiedergabe von Wissen bedeutet aber niemals ausschließlich die Demonstration von Memoriertem, die Fertigkeit im Umgang mit dem Internet, der Bibliothek oder der Zitiertechnik, sondern fordert immer auch Transferleistungen, d.h. die Anwendung von Bekanntem auf Unbekanntes, sowie Kreativität, d.h. das Schöpferische in der Konfrontation mit etwas völlig Neuem aus Gesetz, Rechtsprechung und Literatur. Die Formel guter Dozenten „Eine gut gestellte Aufgabe verlangt ein Drittel Reproduktion plus ein Drittel Transfer plus ein Drittel Kreativität“ kommt der Wahrheit für eine optimale Fragestellung in einem wissenschaftlichen Leistungsnachweis schon sehr nahe.
- Der viel wichtigere Zweck des wissenschaftlichen juristischen Arbeitens ist es aber, Studenten anzuleiten, sich ihres juristischen Verstandes zu bedienen ohne die Hilfe anderer. Sie sollen also zu wissenschaftlicher Mündigkeit, Selbstständigkeit und individueller Persönlichkeit geführt werden. Ein Referat, eine Klausur oder eine Hausarbeit sollen nicht ausschließlich „Marktübersichten“ über wissenschaftliche Veröffentlichungen und Gerichtsentscheidungen sein, kein bloßes „Wiederkäuen“ bereits gedachter Gedanken – das auch. Die Studenten sollen zeigen, dass sie „sich eigene Gedanken“ zu
machen in der Lage sind und diese emanzipiert, eingebettet in die Erkenntnisse der Rechtsliteratur und Rechtsprechung, in einer für andere verständlichen Sprache, selbstbewusst und mit guten wissenschaftlichen „Manieren“ darstellen können. Das Formale ist eben genauso wichtig wie das Materielle, ohne Form kein Inhalt.
Um nun juristisch-wissenschaftlich zu arbeiten, bedarf es bestimmter Erkenntnisse über dieses „Arbeiten“. Wenn das, was man in wissenschaftlichen Arbeiten schreibt, methodisch ungenügend durchdacht, wissenschaftlich oberflächlich erarbeitet, formal schlecht dargestellt und sprachlich mangelhaft ausgedrückt ist, bleibt es beim leeren Wortemachen.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten ist immer systematisches Arbeiten. Die Arbeit folgt einem klaren, strukturierten, gegliederten, gedanklichen Aufbau, einer organisierten Ordnung unter Beachtung bestimmter Formalia und Standards. Ohne Form kein Inhalt!
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten heißt immer: objektiv begründen. Rechtsprechung und Literatur müssen immer in ihrer Originalität wiedergegeben werden.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten basiert immer auf der Grundlage umfangreicher Gesetzes-, Rechtsprechungs- und Literaturauswertung. Es ermöglicht damit, bestimmte Aussagen nachvollziehbar und vor allem nachprüfbar zu machen.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten muss immer eigenständiges Arbeiten sein. Alle direkt oder indirekt übernommenen Gedanken oder Zitate sind zu kennzeichnen: Der Kern aller dieser Arbeiten aber muss eine originäre Geistesleistung des Studenten sein, nicht ein Tummelplatz fremder Geister. Ihre Arbeit sollte sich sowohl durch einen hohen Grad an subjektiver Überzeugtheit auszeichnen als auch durch die Verfügbarkeit einer nachprüfbaren Begründung, die die Wahrheit des „Gewussten“ garantiert.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten erfordert nicht die Darbietung absolut richtiger, unter Fachkundigen nicht bezweifelbarer, starrer Aussagen, sondern stellt einen Prozess dar. In diesem Prozess müssen Rechtsprobleme und Streitstände entwickelt werden, Gründe geltend gemacht werden, andere Gründe dagegen gestellt werden, gewogen und gewichtet werden und schließlich müssen die besseren Gründe den Ausschlag geben. „Satz“ und „Gegensatz“, „These“ und „Antithese“, bringen den Studenten voran!
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten ist immer ein methodisches und logisches Arbeiten. Hier werden Anleihen bei den Formalwissenschaften genommen.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten verlangt die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung, zu Toleranz und Fairness und die Offenheit für neue Gedanken.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten erfordert Disziplin. Die disziplinierte Bewältigung typischer Arbeitsphasenermöglicht es, in einer vorgegebenen Zeit zum Abschluss zu kommen. Deshalb ist eine vernünftige planvolle Arbeitsorganisation immer Teil eines wissenschaftlichen Arbeitens
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten heißt immer auch die Vollständigkeit der Themen- oder Fallbehandlung.
- Ihr wissenschaftlich-juristisches Arbeiten ist in Methode und Sprache immer auch ein Arbeiten im handwerklichen Sinn.
Ich halte nach den Erfahrungen eines langen lehrenden juristischen Berufslebens, in dem ich Tausende von Klausuren korrigiert habe, an folgenden kritischen Überzeugungen zu juristischen Leistungskontrollen fest:
- Die Dozenten, gerade die des Anfangs, sollten über die Fähigkeit verfügen, die alle guten Didaktiker haben sollten: Alle sollten es verstehen, ihre Studenten davon zu überzeugen, dass es Hoffnung auf den Lernerfolg gibt. Zu diesen Hoffnungsträgern zählen besonders die Klausuren.
- Ist die Leistungskontrolle zu schwer, so ist das ein Vertrauensbruch. Vertrauen ist aber das Kostbarste, was man sich als Dozent erwerben kann. Das sollte man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
- Der Verlust an innerer Autorität und Glaubwürdigkeit der klausuren-, hausarbeits- und referatserstellenden Dozenten entsteht, wenn eine Aufgabe nicht nur zu schwer konzipiert ist, sondern wenn sich am Schluss herausstellt, dass Schwierigkeiten nur zu Prüfungszwecken eingebaut wurden. Dann wird gar nicht geprüft, was notwendig zu prüfen ist, sondern man veranstaltet nur ein grausames Spiel für die Studenten. Der Ersteller wird zum Fallensteller, der Fall zur Falle, in welche der Student unweigerlich laufen muss.
- Die handwerklichen Fertigkeiten, die der Jurastudent benötigt, um die Leistungsnachweise bestehen zu können, werden an den juristischen Fakultäten zu wenig oder gar nicht gelehrt. Vorlesung und Übung bieten nicht die Chance, wenigstens in die Nähe der Fähigkeiten und des Könnens zu kommen, mit denen man sie bestehen kann.
- Dem Studenten fehlt es an einer Klausurentechnik. Es mangelt an der notwendigen Umsetzungskompetenz von abstraktem, juristischem globalem Wissen auf lokales Handeln in Klausuren. Der Student hat nicht gelernt, wie er sein Wissen klausurentechnisch auf den Fall anwenden muss. Ihm fehlt die Methode! Er kann sein „Schreibwerk“ nicht gut genug „verkaufen“.
- Sprachlosigkeit und Konturlosigkeit im juristischen Schreibwerk führen zu Erfolglosigkeit. Man ist zu wenig in der Lage, in Leistungsnachweisen sein Wissen so aufzubereiten, dass es in „Form“ kommt und gefällt. Den Weg zur flüssigen Darstellung und zur überzeugenden Präsentation ist man nie zu Ende gegangen.
- Das ewig wiederkehrende Spiegeln des Lebensausschnitts, gemeinhin der „Fall“, im Gesetz, das wunderbare methodische Spiel mit Gutachten und Subsumtionen, Auslegungen und Definitionen, Analogien und Umkehrschlüssen kann der Student in seinen Schreibwerken nicht mitspielen. Er scheitert im Chaos der methodischen Spielregeln. Er merkt zu spät, dass die Anwendung des Gesetzes auch handwerkliche Tätigkeit ist und nur am Fall erfolgen kann.
- Der Student schaut dem Korrektor seiner Leistungsnachweise niemals über die Schulter. Er gewinnt keine Klarheit über die Genealogie einer Note und entwickelt keine Vorstellungen über die Bewertungskriterien, die ent-„scheidenden“ Maßstäbe der juristischen Benotung. Er leidet an der Not mit den Noten. Die Benotung ist nicht transparent.
Klar! Worauf es bei Leistungskontrollen vorwiegend ankommt, ist die inhaltliche Qualität Ihrer Arbeit. Aber eben nicht nur! Juristisches Arbeiten ist immer auch ein formaler Prozess. Wenn Sie anderen Ihr geistiges „End“-Produkt als Klausur, Hausarbeit oder Referat vermitteln wollen (oder sollen), muss es neben der wissenschaftlichen inhaltlichen Qualität auch einer formalen Qualität genügen. Anderenfalls machen Sie es dozentischen „Formalisten“ leicht, sich schnell auf die formalen Mängel Ihrer schriftlichen Arbeiten oder die formalen rhetorischen Defizite Ihrer Referate zu stürzen und sich einer Auseinandersetzung mit ihren Inhalten zu entziehen. Aber auch den „Materialisten“, die eigentlich mehr an Inhalten interessiert sind, machen Sie es schwer, Ihren Inhalten die ungeteilte Aufmerksamkeit zuzuwenden, wenn sie im Bunten-Allerlei-Stil dargeboten werden.
Gut und intensiv auf die Entwicklungsphasen einer juristischen Klausur, Hausarbeit oder eines Referates vorbereitet zu sein und sich mit den Beurteilungskriterien auseinandergesetzt zu haben („Was wollen die eigentlich von mir?“ – „Worauf kommt es warum an?“), ist eine wichtige Voraussetzung, die Arbeiten schnell in den Griff zu bekommen und die Blackouts in der Klausur, die Blockaden bei Hausarbeiten und die Sprechangst bei Referaten reduzieren zu können. Eine andere ist es, sich bewusst zu machen, dass man sich seinen Korrektoren (Klausuren), Zuhörern (Referate) und Lesern (Hausarbeiten) wirklich in seiner individuellen Persönlichkeit, seinem Wissen und Können entgegenstellt. Dazu gehört auch etwas Stolz, dass man das Selbstvertrauen und den Mut aufgebracht hat, eine wissenschaftliche Herausforderung anzunehmen, einen juristischen Fall in der Klausur oder in einer Hausarbeit zu bearbeiten, oder ihn frei zu bearbeiten zu referieren und sich einer Bewertung zu stellen!
Um zu verstehen, was Sie im Anfang Ihres juristischen Studiums lernen, müssen Sie wissen, warum und wofür Sie lernen. Und: Wo und wie Sie im Ernstfall das Gelernte einzuordnen und insbesondere anzuwenden haben. Sie müssen also schon vom ersten Semester an das Jurastudium mehr von den Zielen der Leistungskontrollen her denken. Denn nur darauf lernen Sie zu, auf diese Anwendungssituationen Ihres Studienprozesses. „Non scholae, sed vitae discimus“ gilt im Jurastudium spiegelverkehrt. Für die erste Klausur und dann die Hausarbeit, später das Referat lernen Sie … und das bis ins Examen! Es geht in den Hochschulen allein um das Leistungsprodukt, also um Ihre vollbrachte juristische Leistung, nicht um den Leistungsprozess, also darum, wie Sie diese Leistungen erzeugt und entwickelt haben. Um den Prozess des Wissenserwerbs haben Sie sich – leider häufig allein gelassen – selbst zu kümmern. Periodische Zeugnisse, die wie auf der Schule in regelmäßigen Abständen Auskunft über Leistungen geben, sind auf der Hochschule abgelöst durch studienbegleitende Leistungsnachweise, die punktgenau erbracht werden müssen. Den Weg zu diesem Punkt bestimmen ausschließlich Sie selbst durch Ihren Lernprozess.
Die juristischen Leistungskontrollen sind sämtlich Formen und Ergebnisse wissenschaftlichen Bemühens. „Was“ man „Wie“ wissenschaftlich „in Klausuren schreiben“, „in Referaten referieren“ oder „in Hausarbeiten häuslich erarbeiten“ soll und vor allem „Warum“ und „Wozu“, muss wissen, wer sich in die Arena der Leistungstests begibt. Bei allen Studierenden besteht eine quälende Unsicherheit im Hinblick auf die Vorbereitung, den Umgang, den Umfang, die Inhalte, die Bewertung und Benotung ihrer Leistungen. Das beginnt bei den ersten Semesterabschlussklausuren, geht über die Zwischenprüfung und mündet dann in die alles entscheidende Examenssituation. Die Verwirrung fußt in den juristischen Ausbildungsordnungen.
Als Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen müssen Ihnen deshalb von Anfang an die Lernziele, Inhalte, Formalia, Methoden, Kriterien und Bewertungen juristischer Arbeiten vorgestellt und Sie mit den notwendigen handwerklichen Fertigkeiten bekannt gemacht werden. Man quält sich nämlich viel leichter und lernt viel besser, wenn man weiß, für welches Ende und warum man sich quält und … gequält wird. Das Jurastudium ist deshalb vom Ende her zu denken, eben von den Leistungskontrollen her. Das Alles kann man lernen! – Am Besten, indem man es tut und sich über die Ziele eines gelungenen inhaltlichen wie eben auch formalen juristischen Leistungsnachweises sachkundig macht.
§ 2 Juristenausbildungsgesetz NW (JAGNW) lautet, beispielhaft für alle Bundesländer:
„Die Bewerber sollen in der Prüfung zeigen, dass Sie das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden und über die hierzu erforderlichen Kenntnisse in den Prüfungsfächern mit ihren europarechtlichen, wirtschaftlichen und praktischen Bezügen, ihren rechtswissenschaftlichen Methoden sowie philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen verfügen.“
Da wird es einem schwarz vor Augen! Es wird nicht heller, sondern dunkler. Beim ersten Lesen des Satzes mit 42 Wörtern fällt schon auf, wie wenig aussagekräftig das alles ist, es wimmelt von unbestimmten Begriffen, die keinerlei verlässliche Abgrenzungen zulassen.
- Was umfasst der Begriff „Recht“ alles?
- Was heißt „Verständnis“?
- Mit welchen Werkzeugen soll der Student beides „erfassen“?
- In welcher Art und Weise soll er „anwenden“?
- Was, bitte schön, bedeutet „erforderlich“? – Tiefe, breite, summarische „Kenntnisse“? Vollständigkeit oder nur Grundzüge? Detailkenntnisse zu Einzelfragen? – zu welchen?
- Welche europarechtlichen (?), wirtschaftlichen (?) und gesellschaftlichen (?) „Bezüge“ sind gemeint? Was sind überhaupt „Bezüge“? – Was vom Europarecht, was von den Wirtschaftswissenschaften, was von der Soziologie? Wie weit, wie eng, wie breit, wie tief?
- Und dann noch die (ganze?) „Rechtsphilosophie“, die (ganze?) „Rechtsgeschichte“ und die (gesamte?) „Rechtsmethode“?
- Und das alles noch mit „wissenschaftlichen Methoden“ durchdringend?
Und ist es auch Wahnsinn, es steht im Gesetz! Nichts ist transparent, nur wenig davon wird im Studium wirklich kommuniziert, und dann wundert man sich über den Examensstress und die Versagensquote? Unklarheit und Unsicherheit, Verwirrung und nackte Angst machen sich da von Anfang an breit. Studenten richten nun einmal ihr Lernen auf die Anforderungen der Leistungskontrollen hin aus. Deshalb müsste eine Kongruenz, eine Übereinstimmung, zwischen juristischen Lehr-, Lern- und Prüfungsarbeiteninhalten eine essenzielle Voraussetzung ihres Studiums sein. Die starke Orientierung an der falldominierten „Ersten Juristischen Prüfung“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Prüfungen das Lernverhalten der Studenten beeinflussen, ja beherrschen. Und deshalb müssen auch Sie das Studium schon sehr bald von den Leistungsnachweisen her denken! Denn nur hier ist der Ort für die Demonstration Ihrer methodisch-wissenschaftlichen juristischen Leistungen. Es ist eben nicht nur wichtig, dass Sie etwas wissen, sondern im Studium ist es manchmal wichtiger, dass auch andere wissen, dass Sie etwas wissen! Die Leistungsnachweise sind ein solches „Manchmal“, semesterbegleitend und im Examen. Also:
- Wo soll ich vor den ersten Klausuren und Hausarbeiten stehen? – Und wo nicht?
- Worauf soll ich mich dabei konzentrieren? – Und worauf nicht?
- Was soll ich an Klausurentechnik können? – Was muss ich können? – Was muss ich nicht können?
- Wie soll ich meine knappe Ressource Zeit für die Vorbereitungen am Besten nutzen?
- Welche Aufgabenstellungen können in den Arbeiten auf mich zukommen?
Großes Geheimnis: Selbst die Professoren und Prüfer haben nicht alle den Überblick! Blackbox Jurastudium!!
Schauen wir uns zunächst die Leistungsnachweise im Überblick einmal an.
Die juristische Klausur, die Hausarbeit und das Referat sind jene „Mess“-Instrumente, mit denen Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt im Studium und später im Examen beweisen müssen, ob Sie einen komplexen Sachverhalt wissenschaftlich bearbeiten und ihn in seine Einzelprobleme aufteilen können, um diese dann in der richtigen Zeit, im rechten Stil, in der richtigen Form, auf richtigem methodischem Wege schriftlich (Klausur und Hausarbeit) oder mündlich (Referat) vollständig einer nachvollziehbaren Lösung zuzuführen. Wie bei anderen Instrumente auch, muss man üben und seine Erfahrungen mit ihnen machen, um sie zu beherrschen.
Der Student soll in sämtlichen juristischen Leistungsnachweisenbeweisen können, was er gelernt hat
· an juristischem Basis- und Spezialwissen,
· methodischer Anwendungskompetenz,
· handwerklichem Können und
· wissenschaftlichem Know-How.
Erfahrungsgemäß machen das juristische Basiswissen etwa 60%, das juristische Spezialwissen nur etwa 5%, die Technik , die Methodik und Taktik aber 35% der Note und damit des Erfolges einer juristischen Arbeit aus. Hier „entscheidet“ sich im wahrsten Sinn des Wortes, in dem ja das Stammwort „scheiden“ steckt, ob Prädikat oder Nichtprädikat. Aus diesen 35 % resultiert der englische Studentenspruch: „You know: It’s important what you know; but it’s more important to know what to do with the ,what you know’, you know?”
Der Erste im Bunde ist die juristische Klausur
Die juristische Klausur ist eine unter Aufsicht nach strenger Zeitvorgabe zu erbringende schriftliche Prüfungsarbeit. Sie beschränkt sich im Gegensatz zu Klausuren anderer Fakultäten nicht nur auf die Wiedergabe von erlerntem Wissen, also Fakten, Kenntnissen und Methoden (notfalls im Multiple-Choice-Verfahren), sondern immer muss der juristische Klausurand einen meist recht komplexen Fall lösen, der ihm unbekannt ist. Zur Lösung des Falles kann er zwar auf seinem erlernten theoretischen Wissen aufbauen, im Vordergrund steht aber immer die praktische Subsumtion, also die Anwendung des Gesetzes, erschlossener Rechtsinstitute, gelernter Definitionen, Auslegungsregeln und anderer juristischer Methodiken auf einen meist unbekannten Sachverhalt in einem juraspezifischen Stil, dem Gutachtenstil. Bekanntes, reproduzierbares Wissen spiegelt sich notwendig in einem unbekannten Lebensausschnitt, Ihrem Fall. Da der Student in der Klausur ausschließlich nur mit dem Gesetz arbeiten darf, sind die Besonderheiten der Rechtsprechungsanalyse, Rechtsliteraturbeschaffung und Literaturauswertung nicht zu beachten. Insoweit ist die Klausur geradezu ein wenig wissenschaftsfeindlich, aber lange nicht so wissenschaftsfeindlich wie die „Abfrageklausuren“ manch anderer Hochschuldisziplinen.
Der Zweite im Bunde ist die Hausarbeit
Hausarbeiten sind als Konkurrenten der Klausur eigenständige Leistungen, die zur Vertiefung des juristischen Stoffes Spezialuntersuchungen zu einem vorgegebenen komplexen Themenkreis umfassen. Diese Arbeiten müssen nach Form, Inhalt und Aufbau uneingeschränkt den Regeln wissenschaftlichen Arbeitens entsprechen. Sie ähneln insoweit der Klausur, als der Hausarbeitstext regelmäßig einen Sachverhalt schildert, der mit einer Fallfrage endet und damit immer der Anspruchs- oder Deliktsaufbau für das zivilrechtliche oder strafrechtliche Gutachten zu wählen ist. Die Hausarbeit unterscheidet sich aber von der Klausur insoweit, als dass Ihnen zur Bearbeitung deutlich mehr Zeit zur Verfügung steht und wissenschaftliches Arbeiten dadurch demonstriert werden muss, dass Sie die zur Verfügung stehenden Literatur-, Rechtsprechungs- und Rechtsquellen umfänglich sichten, auswerten, dann sichtbar machen und argumentativ Stellung zu ihnen nehmen müssen. Bei der Hausarbeit stehen im Gegensatz zur Klausur auch viele organisatorische Fragen wie Zeitmanagement, Literatursammlung, Literaturauswertung, Literaturrecherche und eine schriftliche, wissenschaftlichen Standards genügende, formvollendete Endfassung im Vordergrund. Die Hausarbeit dient zwar auch der Reproduktion von Kenntnissen, mehr aber der emanzipierten, produktiven Gewinnung von Erkenntnissen und deren schriftlicher Formulierung.
Die Anfertigung von Klausuren setzt bekanntlich ein erhebliches präsentes theoretisches Wissen voraus. Bei Hausarbeiten ist dies nur scheinbar entbehrlich. Natürlich können und müssen bei einer solchen Arbeit Mengen von Literatur und Rechtsprechung nachgeschlagen werden: Ganze Bibliotheken und Seminarräume stehen bereit, Unmengen von Lehrbüchern und Kommentaren, meterlange Reihen von Rechtsprechung und vielfältige Dateien. Dennoch ist es in der meist recht knappen Zeit, die Ihnen zur Verfügung steht, unmöglich, ohne Wissen und Kenntnis der Arbeitsmethoden sich durch einfaches „Einlesen in Rechtsprechung und Literatur“ zurechtzufinden. Wer sucht, muss wissen, wo, wie und was er sucht und wie er das Gefundene gutachtlich sauber und logisch, sprachlich gekonnt zusammenfügt.
Der Dritte im Bunde ist das Referat
Referate paaren die Inhalte und Ziele ihrer Konkurrenten Klausur und Hausarbeit mit der Gelegenheit zum mündlichen Vortrag in möglichst freier Rede, zur medialen Präsentation und zur kritischen Fachdiskussion. Das Referat verlangt, wie die Hausarbeit, die schriftliche Fassung eines juristischen Gutachtens, einer Entscheidungsrezension oder eines offenen Themas anhand der Auswertung der Rechtsprechung und Rechtsliteratur. Das Referat als mündliche Leistung verlangt aber mehr: Der Text muss für eine ansprechende mündliche Präsentation sowohl inhaltlich als auch medial und sprachlich gesondert vorbereitet werden. Hinzu kommen muss eine Reihe von rhetorischen Fähigkeiten und Kommunikationskompetenz sowie von Kenntnissen über das stringente Führen einer Fachdiskussion. Das Referat dient in hervorragender Weise der studentischen Persönlichkeitsentwicklung. Leider wird es viel zu wenig an unseren Hochschulen eingesetzt. Das Ergebnis eines Referates ist nicht selten: der Dozent hat sich gelangweilt, die Studenten haben sich gelangweilt, der Referent ist fürchterlich gestresst, und nichts bleibt hängen. Jeder von uns kennt diese „Sternstunden“ der Wissenschaft.
Rhetorischer „Schnick-Schnack“ schadet bei einem wissenschaftlichen Referat mehr als dass er nützt. Was Sie als guten Referenten ausmacht, sind – neben dem überzeugenden inhaltlichen Gehalt Ihres Referats – Ihre Persönlichkeit, Ihr Stil, Ihr Selbstwertgefühl und Ihre Authentizität, also Ihre Echtheit. Es gibt kein Patentrezept für ein „Idealreferat“, weil Sie Ihren eigenen Stil haben, der Ihre Originalität ausmacht, aber Einiges kann man schon darüber lernen. Und das sollte man auch lernen, da in den Staatsexamina ein Referatsvortrag als wichtiges Prüfungselement verlangt wird.
Die juristischen Leistungsnachweise Klausur, Hausarbeit und später dann das Referat haben viel Gemeinsames aber auch Trennendes.
- Gemeinsam ist ihnen allen Drei, dass der Student es mit der Rechtswissenschaftzu tun bekommt. Darunter versteht man grob alle Bemühungen, um in organisierter methodischer Form, systematisch juristische Kenntnisse zu sammeln, zu erforschen, zu vergleichen und auszuwerten. Dazu gehört das Erarbeiten eines vorgefundenen tradierten juristischen Stoffgebietes, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit den Aussagen und Ergebnissen der Rechtsprechung und juristischen Literatur, schließlich die formal-technische Wiedergabe dieser Erkenntnisse nach ganz bestimmten Standards. Die Grundregeln über Gutachten, Sachverhaltsinterpretation, Aufgabenanalyse, Aufbau der Anspruchsgrundlagen und Straftatbestände, Subsumtionstechnik, Auslegung, Sprache und Ausdruck, wissenschaftliches Arbeiten und juristisches Denken müssen hier wie dort beachtet und beherrscht werden. Eine gute juristische Arbeit, egal welche, kann niemals sachlich gelungen, aber methodisch, sprachlich und formal misslungen sein. Prüferspruch: „Ohne Form kein Inhalt!“ Wenn das, was man in juristischen Arbeiten schreibt, methodisch ungenügend durchdacht, wissenschaftlich oberflächlich erarbeitet, formal schlecht dargestellt und sprachlich mangelhaft ausgedrückt ist, bleibt es beim leeren Wortemachen.
- Gemeinsam ist Hausarbeiten und Referaten, dass es bei beiden um die Wiedergabe und die Auseinandersetzung von und mit Problemen aus der juristischen wissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung geht und man ohne Bibliothek nicht auskommt. Insofern haben beide Formen wissenschaftlicher Leistungsnachweise eine große gemeinsame Schnittmenge. Was man alles aus wissenschaftlichen Texten und Gerichtsentscheidungen herausgeholt, gedreht, gewendet und mit eigenen Gedanken gespickt hat, wird präsentiert: Einmal als referierte mündliche Ausarbeitung, einmal in schriftlicher Form. Deshalb gelten für beide Arten die gleichen Grundsätze und wissenschaftlichen Spielregeln, dieselben wissenschaftlichen Vorarbeiten und Maßstäbe.
- Das Gemeinsame aller BGB-Arbeiten ist es, dass immer (!) Anspruchsgrundlagen des Schuld- oder Sachenrechts zu prüfen sind (im Anfang etwa 4-5 Auswahlmöglichkeiten), immer mit dem Unterbau des Allgemeinen Teils und immer unter Zuhilfenahme Ihrer handwerklichen Methoden.
- Das Gemeinsame aller StGB-Arbeiten ist es, das immer (!)Straftatbestände des Besonderen Teils des StGB zu prüfen sind (im Anfang etwa 5-7 Auswahlmöglichkeiten), immer mit dem Unterbau des Allgemeinen Teils und immer unter Zuhilfenahme Ihrer handwerklichen Methoden.
- Das Gemeinsame aller Staats- und Verfassungsrechts-Arbeiten ist es, dass immer (!) eine staatliche Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit hin zu prüfen ist, was im Rahmen einer bestimmten Verfahrensart (etwa 4 Auswahlmöglichkeiten), ganz selten auch als freies Thema, zu erfolgen hat.
- Gemeinsam ist allen drei Leistungsnachweisen, dass Sie zeigen müssen, dass Sie zum systematischen Aufklärer der Sachverhalte und Aufgabenstellungen, zum Experten des Übersetzens und des Aufdeckens von juristischen Gesetzen und gerichtlichen und literarischen Problemen, sowie zum Spezialisten für die juristischen Methoden und die Beziehungen zwischen Gesetzen und Sachverhalten, also zum Subsumtionskönner, geworden sind.
- Die Unterschiede der verschiedenen Leistungskontrollen liegen in der Bearbeitungszeit und der Verfügbarkeit von Judikatur und Literatur. Deswegen werden insbesondere an Hausarbeiten in inhaltlicher, wissenschatlicher, sprachlicher und formeller Hinsicht höhere Anforderungen gestellt als an Klausuren.
- Bei Referaten liegt der Schwerpunkt in der mündlichen Präsentation, bei Klausuren im komprimierten „sauberen“ Lösen von Fällen unter Zeitdruck, bei Hausarbeiten in der Wissenschaftlichkeit.
Jeder Jurastudent spürt es von Beginn an: Die Klausur und die Hausarbeit bestimmen das studentische Heute, das mündliche Referat im Schwerpunktbereich und der mündliche Vortrag im Examen das Morgen! Deshalb muss man auch sehr bald damit beginnen, an der Methodik und Technik des Verfassens solcher Schreib- und Redewerke zu arbeiten, damit man nicht später sagt: „Warum hat mir das keiner früher gesagt?“ – Oder nach einem Scheitern böse grollt: „Ich grüße traurig den, der ich hätte sein können!“ Es kann kalt werden in der unendlich komplexen Welt der wissenschaftlichen Weiten der Hausarbeiten und Referate, und ein Klausurenraum kann zum Eispalast werden! Da ist es gut, wenn man sich warm anzieht!
Den Umgang mit den Leistungsnachweisen zu lernen, bedeutet, den Benotungs-Nackenschlägen zuvorzukommen und das Katastrophenpotenzial einer juristischen Klausur oder Haus- oder Referatsarbeit nicht voll auszuschöpfen.
Die Vorbereitung dazu beginnt schon beim richtigen gezielten juristischen Lernen. Juristisches Lernen ist eben immer auch Transferlernen (lat.: transferre, hinübertragen). Ein stumpfes Lernen, das auf genaue Reproduktion beschränkt ist, sollte es bei Ihnen nicht geben. Ein Lernkonzept, das davon ausgeht, dass ständiges dressierendes Wiederholen allein schon irgendwann zum juristischen Erfolg in den Leistungsnachweisen führen wird, ist falsch. Der gute Jurastudent muss lernen, selbst und immer wieder neue Beziehungen zwischen den Paragraphen und seinen Sachverhalten herzustellen, sowie Gelerntes immer wieder in unbekanntem Zusammenhang anzuwenden. Er muss eben stets mehr lernen als er lernt: Er muss durch die Übertragung von Wissen, den Lerntransfers, Systemverständnis entwickeln. Dieses erfordert, das vorhandene Wissen ständig neu für sich arbeiten zu lassen. Die Erkenntnis, dass etwas Gelerntes übertragen werden kann, ist sicher nicht neu. Neu ist Ihnen aber vielleicht, dass in der juristischen Ausbildung fast alles nur Transmission ist. Die primäre Lernsituation zielt immer auf die sekundäre Anwendungssituation im „Fall“ der Klausur, Hausarbeit oder des Referats ab. – Und jeder Fall ist eben anders! Deshalb müssen Sie sehr früh erkennen, dass jede Ihrer singulären juristischen Lerneinheiten immer über sich hinausweisen muss und auf Rechtsanwendung mittels einer Transferleistung für einen anderen Zusammenhang in einem Fall in einer Klausur, Hausarbeit oder Referat harrt. Derjenige, der nur Rechtswissen ohne Rechtsanwendungsbezug speichert oder der nur nachahmend den gleichen Fall in gleicher Weise lösen kann, wird im Examen durchfallen.
Der einfältige Student wartet auf die gepaukten Fälle A, B und C. Und wenn die Fälle A1, B1 und C1 geprüft werden sollen, muss er passen. Der gute Student lernt nicht ziellos vor sich hin, sondern dafür, an einem bestimmten Prüfungstag oder in einer
limitierten Prüfungszeit das gelernte und an Fällen erprobte Wissen in den Leistungskontrollen auf andere, mehr oder weniger ähnliche Fälle übertragen (transferieren) zu können.
In den folgenden Beiträgen möchte ich mit Ihnen den Horizont der Klausuren, Referate und Hausarbeiten umwandern. Ich hoffe, Sie können demnächst etwas mit den dargebotenen Empfehlungen anfangen. Sehr bald werden Sie die Schwelle vom beiläufigen juristischen Daherschreiben und Daherreden zur inhaltsreichen, stilvollen, wissenschaftlichen, juristischen Darstellung in Ihren juristischen Arbeiten überstiegen haben – dieser Schritt markiert den Ernst des Studienbeginns.
Und nun viel Spaß bei der erfolgreichen Arbeit an Ihren juristischen Leistungskon-trollen. Denken Sie daran: Der Spruch: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ stimmt nicht immer. Die Klausur und die Hausarbeit können das Vergnügen selbst sein! Und das Harren auf die Rückgabe und die Bewertung der Arbeit ist auch Vergnügen. Denn: Die Vorfreude auf ein Vergnügen ist auch ein Vergnügen!
Dann lassen Sie sich mal gut benoten und punkten Sie beim Punkten! Sie müssen spätestens bis zum Examen Ihrer Klausuren-, Referats- und Hausarbeitstechnik in gute Form gebracht haben. Wer damit zu spät kommt, den … Sie wissen schon!